Als der norwegische Wanderverein DNT seine fünfhundertste Wanderhütte plante, sollte es zu diesem Jubiläum nicht eine stinknormale Standardhütte werden, sondern ein architektonisches Juwel in spektakulärerer Lage. Herausgekommen ist die Rabot-Hütte an den Gletschern des Okstindan-Massivs. Zu dieser Hütte wollten wir heute aufbrechen.
Die Norwegerinnen haben gestern noch einige Zeit ihre Getränkevorräte vernichtet und norwegische Lieder gesungen, dennoch konnte ich irgendwann gegen 23 Uhr einschlafen. Eine Stunde später war ich hellwach, da ich in meinen Träumen immer wieder beim Furten von den wilden Wassermassen mitgerissen wurden. Zwei schlimme Flußdurchquerungen sollten auf der Etappe anstehen. Da geht dann meine Phantasie manchmal mit mir durch.
Dennoch waren wir gegen 6:30 Uhr hellwach, haben uns leise angezogen und gefrühstückt. Durch die Fenster der Hütte hatten wir einen schönen Panoramablick über die gesamte Berglandschaft der Umgebung, während die Täler mit Wolken verhangen waren.
Bereits 7:30 Uhr ging es los und kurz hinter der Hütte steil den Berg hinauf. Als ich nach einiger Zeit unsere Position mit dem GPS abglich, musste ich leider feststellen, dass wir uns die falschen Markierungen ausgesucht hatten. Da wir die ca. 40 Höhenmeter nicht umsonst zurückgelegt haben wollten, haben wir den Hang 400 Meter bis zum eigentlichen Weg gequert. Das hört sich spektakulärer an, als es war, denn eigentlich ist es bei diesem felsigen Terrain egal, ob man auf einem Weg läuft oder Querfeldein. Hauptsache die Richtung stimmt.
Der richtige Weg bot uns dann beeindruckende Ausblicke auf die erste Gletscherzunge. Hinter dem Schmelzwassersee führte uns der Weg dann über ein steiles Schneefeld auf den milchigen Seeabfluß zu, wo die erste Furt des Tages gemacht werden musste. Lange habe ich nach einer brauchbaren Stelle gesucht, mich dann für die breiteste und ruhigste entschieden. Leider konnte ich aufgrund des milchigen Wasser nicht erkennen, wie tief es war. Also bin ich zunächst ohne Rucksack hindurch, was kein Problem war. Das Wasser ging mir nur bis zum Knie und die Strömung war nicht sehr stark. Also hieß es wieder zurück zu meinem Rucksack und wieder hindurch, so dass meine Unterschenkel tiefgefroren war.
Dann mussten wir auf der anderen Seite auf ein weiteres steiles Schneefeld klettern, um aus dem Fluß zu kommen. Nach dem die Füße im Sonnenlicht langsam wieder Betriebstemperatur hatten, ging es weiter. Dies war der erste Tag, bei dem wir mit Sonnenschein losgelaufen sind. Und es war herrlich, vor allem bei dieser Fernsicht, der Felslandschaft um uns herum und den Gletschern, die immer wieder ins Blickfeld kamen.
Schnell waren wir bei der zweiten Furt, die vor einigen Jahren mit einer Brücke unnötig war. Aber diese Brücke hat wohl einen Winter nicht überlebt und ist seit dem nich wieder aufgebaut worden. Doch diese Querung war ein Kinderspiel, wir mussten noch nicht mal die Schuhe ausziehen. Leider bin ich mittendrin abgerutscht und hatten einen kleinen Wassereinbruch im linken Stiefel, was letztenendes aber nicht so schlimm war.
Anschließend haben wir uns für die letzten 300 Höhenmeter hinauf zur Rabot-Hütte gestärkt. Auf diesem Stück kam uns eine ganze Schulklasse entgegen. Die ersten Wanderer auf der bisherigen Tour.
Nach ungefähr einer Stunde Schnauferei und Schinderei kamen wir oben an und waren überwältigt von der tollen Hütte und den ganzen Eisfeldern in unmittelbarer Nähe. Die Hütte sah von außen gewaltig aus, innen wirkte sie hingegen relativ klein. Die großen Fenster boten einen schönen Panoramablick. Empfangen wurden wir von zwei Franzosen, die, wie sich herausstellte, absolute Norwegenfans sind, sehr viel Urlaub haben und diesen hier am liebsten verbringen. Einen Teil dieser Zeit arbeiten sie ehrenamtlich als Hüttenwart. Bei ihnen haben wir uns zwei Waffeln mit Kaffee bestellt und diese im gemütlichen Wohnzimmer zu uns genommen. Nebenbei haben wir uns mit den beiden Franzosen unterhalten und unter anderem erfahren, dass alle Hütten auf dem Kungsleden dieses Jahr für einige Wochen geschlossen wurden, da viele Gäste an Durchfall, Fieber und Erbrechen litten. Hört sich nach dem Virus an, den ich mir auch eingefangen hatte.
Unsere Unterhaltung wurde vom Eintreffen des Helikopters unterbrochen, der die Feuerholzvorräte für diesen Winter anlieferte. Insgesamt ist er bestimmt sechs mal angeflogen gekommen, bis genügend Holz vor der Hütte stand.
Wir haben uns in der Zwischenzeit wieder auf dem Weg gemacht, denn da es noch sehr früh war, wollten wir zur Kjennvasshytta weiterlaufen und doch nicht hier oben übernachten.
Die nächsten Stunden waren wir in einer Art Mondlandschaft unterwegs, aber die Wegfindung war aufgrund der zahlreichen roten Markierungen sehr einfach und der Weg leicht zu laufen. Die Blicke zu den Gletschern und auch das Tal hinunter waren toll und das Wetter wurde immer besser. Kaum waren wir etwas unterhalb der Hütte ließ der Wind nach und wir konnten unsere zusätzlichen Schichten wieder ablegen.
Als wir an einem traumhaft gelegenen See ankamen, war es Zeit, für die nächste Pause. Einige Minuten haben wir sogar überlegt, hier den Wandertag zu beenden und das Zelt aufzubauen. Doch die Aussicht, morgen in Umbukta zu sein, wo es eine heiße Dusche, ein warmes Essen und ein kaltes Bier geben wird, war einfach zu verlockend, so daß wir diesen Plan aufgaben. Wir haben uns in die Sonne gelegt und den Moment genossen. Dies war die erste Pause im bisherigen Urlaub, die wir so richtig geniessen konnten.
Irgendwann mussten wir aber wieder weiter und die letzten vier Kilometer zur Hütte waren schnell gemacht. Punkt 17 Uhr trafen wir an der menschenleeren aber traumhaft gelegenen Hütte an. Sie lag direkt am See, hatte ringsherum eine schöne Holzterrasse und verfügte über ein WC mit Waschbecken, an dem es warmes Wasser aus dem Hahn gab. So konnten wir uns das erste Mal seit Stekvasselv einigermaßen den klebrigen Schweiß abwaschen. Wir fühlten uns danach wie neugeboren.
Heute gab es mal wieder Pfannkuchen mit Marmelade, dazu einen Dosen-Mojito, den wir im Kühlschrank der Hütte gefunden haben.