Die Nacht im Aufenthaltsraum war nicht so erholsam, da die Sofas recht schmal sind und zum Schlafen nur bedingt geeignet. Dafür war es mückenfrei, warm und wir hatten Platz ohne Ende.
Mit einem mulmigen Gefühl wachen wir beide auf, denn die anstehende Etappe sind wir bereits gewandert und haben sie in recht schlechter Erinnerung. Recht steil geht es bereits im Ort aufwärts bis zum Einstieg in den blau markierten Wanderweg, der bald mit Ketten abgesichert eine Steinplatte hinaufführt. Von hier werfen wir einen letzten Blick zurück auf Knaben, dann geht es rein ins Fjell.

Der Pfad ist relativ gut markiert und sichtbar. Es gibt sogar Hinweisschilder zum Aussichtspunkt Knabenrøysa, doch diese führen uns direkt an das Ufer eines Stausees. Die Staumauer sieht recht neu aus, darum haben wir den Verdacht, dass der Wanderweg nun unter Wasser liegt, denn direkt am gegenüberliegenden Ufer führt er weiter. Wir müssen also den See umrunden.

Auf der anderen Seite stoßen wir wieder auf unseren Weg, dem wir nun bis zum Knabenrøysa folgen, von wo aus wir einen grandiosen Blick in ein Tal haben, das vollkommen wild und unerschlossen aussieht.

Ab hier zweigt unser Weg nach links ab, wobei wir ab nun auch hin und wieder Probleme mit der Wegfindung haben, denn ein Pfad ist kaum ausmachbar, bei den vielen Steinen und Steinplatten, und die Markierungen sind nicht immer klar erkennbar.

Wie damals kommen wir nur im Schneckentempo voran, erkennen des öfteren einige Landmarken wieder.

Nach etlichen Stunden kommen wir an einen Fluß, der über blanken Fels talwärts fließt. Direkt nach der problemlosen Furt wechselt die Markierungsfarbe von blau auf stark-verwittert-rot. Immer öfter halten wir an, um uns anhand unserer digitalen Karte auf dem Handy zu orientieren. Das nervt und hält auf. Außerdem hat sich die Sonne mittlerweile hinter einer Wolkenschicht versteckt und ein unangenehmer kalter und starker Wind bläst uns entgegen. Auf einem Pass ist es so stark, dass er uns fast umwirft.
Nach dem Pass geht es direkt hinunter zu einem großen Stausee, wo wir erneut den Pfad nicht wiederfinden. Am Übergang zwischen See und fast senkrechter Felswand ist ein Blockfeld, das uns nicht passierbar erscheint. Eine Spur scheint aufwärts zu führen. In der Annahme, dass der Weg auf halber Hanghöhe diesen quert, schnaufen wir aufwärts. Auch hier finden wir keine Markierung und die Spur ist auch nicht mehr sichtbar.

Anstatt nun wieder zur letzten gefundenen Markierung zurückzukehren, verfolgen wir unsere Idee stur weiter – im Nachhinein eine unserer schlechteren Entscheidungen. Denn immer unwegsamer wird das Gelände. Niedrige Bäume versperren uns den Weg, sehr steil abfallende Felsflanken zwingen uns, immer weiter aufzusteigen.
Hier lassen wir sehr viel Zeit und Kraft.

Dann sehen wir endlich zwischen zwei Felsplatten einen Grünstreifen, der bis ans Ufer hinunterführt. Er ist steil, aber passierbar. Vorsichtig steigen wir dort hinab und sind froh, als wir heile an der Staumauer angekommen sind.

Nun ist es fast sechs Uhr und bis zur angestrebten Hütte wären es noch zehn Kilometer, was ungefähr vier bis fünf Stunden Gehzeit bedeutet. Dazu fehlt uns nun die Kraft und der Antrieb, weshalb wir nun anfangen, nach einem geeigneten Zeltplatz Ausschau zu halten.

Jede Wiesenfläche, die einigermaßen waagerecht ist, wird begutachtet. Doch es dauert noch ungefähr eine weitere Stunde, bis wir eine Stelle gefunden haben. Einziger Nachteil: Die Wiese ist sehr sumpfig. Ich weiß nicht wie die Pflanze heißt, doch von Weitem sieht sie fast wie Gras aus, tritt man aber drauf, entpuppt es sich quasi als Schwamm. Man versinkt sofort einige Zentimeter und um die Schuhe herum quillt Wasser hervor.

Dennoch stellen wir das Zelt hier auf, da wir bestimmt keinen besseren Untergrund finden werden. Die Heringe gehen auf jeden leicht in den Boden, halten aber dem Wind nicht lange Stand. Darum beschweren wir jeden Zeltnagel mit schweren Steinen. Die Abspannpunkte, die für die gesamte Stabilität des Zeltes wichtig und die dem Wind am stärksten ausgesetzt sind, binde ich mit einer Reepschnur und einem Gurt an die benachbarten Bäumchen.

Wir verkriechen uns sofort ins Zelt und schlüpfen unter unsere Daunenquilts, haben fast keinen Antrieb mehr, zu kochen. Doch nachdem wir wieder einigermaßen aufgewärmt sind, kommt auch der Hunger so massiv, dass wir ihm nicht widerstehen können.
Die heutige Etappe in Zahlen
Kilometer
Gesamt | 23 |
Auf Asphalt | 0 |
Auf Schotter | 0 |
Auf Wanderwegen | 23 |
Querfeldein | 0 |
Höhenmeter
Bergauf | 500 |
Bergab | 380 |
Geschätzte Gehzeit
9 Stunden