Tag 68: Die letzte Etappe

Wir schlafen ein, während weiterhin schwere Sturmböen unsere kleine Hütte traktieren, als ob sie alles daran setzen, sie zum Einsturz zu bringen. Als wir aufwachen ist nur das Rauschen des Flusses zu hören, der unterhalb den Berg hinunterströmt. Es scheint sogar die aufgehende Sonne direkt auf die Eingangstür und einige Lichtstrahlen malen durch die Ritzen der Tür auf der gegenüberliegenden Wand einen hellen, orangenen Lichtkreis.

Doch ein Blick hinaus zeigt tiefhängende Wolken, die die Bergspitzen verdecken und weiter unter im Tal scheint es momentan sogar zu regnen.

Wir besprechen noch mal, ob wir wirklich abbrechen wollen, doch da sind wir uns schnell einig. Wir haben beide das Gefühl, dass es auf dieser Tour zu viele Schlechtwettteretappen gab, wo wir uns am Ende gefragt haben, was hat uns diese Etappe gebracht, außer ein paar Kilometer näher zum Nordkap gekommen zu sein. An solchen Tagen bekommt man von der Landschaft kaum was mit, das Gehen wird durch den Regen schwieriger, weil die Steine und der Boden rutschiger sind, die Pausen sind kurz und eher nicht entspannend, man ist durchgefroren und nass, und irgendwie will man nur ans Ziel, um was Trockenes anzuziehen und sich aufzuwärmen. Und am Ende des Tages bekommt man kein leckeres Essen, sondern etwas, was höchstens satt macht.

Der Wetterbericht für die nächsten Tage, keine Besserung in Sicht

Rückblickend ist der Abbruch aber nur durch die nicht geglückte Furt ausgelöst worden. Wären wir dort hindurch gekommen, dann wären wir am darauffolgenden Tag über einen leichteren, trockneren und schnelleren Weg zur Ranserbua gekommen. Aber es ist, wie es ist, wir sind mit unserer Entscheidung im Reinen und freuen auf unser Zuhause und einen Tripp mit unserem Wohnmobil.

Aber erst Mal müssen wir hier weg. Nach einem schnellen Frühstück in der kalten Hütte packen wir unsere Rucksäcke und uns warm ein. Dann wird noch rasch ein wenig Holz für unsere Nachmieter vor den Ofen gelegt, die Hütte gefegt und mit dem Holzriegel ordentlich verschlossen.

Wir folgen nun weglos zunächst dem Fluß, dann dem darauffolgenden See und betreten so nach sieben Kilometern erneut schwedischen Boden. Nach zwei weiteren Kilometern erreichen wir einen Wanderweg, der uns zum Vildmarksvägen bringt, Schwedens höchste, asphaltierte Straße, die bei Touristen sehr beliebt ist.

Als wir am Wanderweg ankommen, könnten wir auch links abbiegen und würden so nach ca. 20 Kilometern wieder auf unseren NPL-Track stoßen. Wir schauen uns an und wandern rechts weiter, ohne Reue. Etwas traurig sind wir schon, doch irgendwie wollten wir auch Spaß am Wandern haben, und das war zu oft leider nicht der Fall.

Der Wanderweg ist sehr gut und gut markiert. Fast eben zieht er sich durch eine schöne Berglandschaft. Und, wie um unsere Entscheidung noch mal auf den Prüfstand zu stellen, reißt die Wolkendecke auf, die Sonne scheint und der Wind legt sich. Ein Traumwetter zum Abschluss.

Die letzt Furt

Schnell sind wir an der Straße, auf der ein Wohnmobil nach dem anderen entlangfährt. Ich rufe das Hotel in Klimpfäll an, doch beim ersten Versuch geht keiner ans Telefon. Beim zweiten Versuch erfahre ich, dass am Sonntag das Hotel und das Restaurant geschlossen ist und dass sie keinen Shuttleservice anbieten, so wie es auf booking.com steht. Das liegt wohl an der Gesetzgebung, die einem Fahrer im Unfallfall die volle Verantwortung für seine Passagiere zuweist und deshalb Personentransporte nur noch von Bus- und Taxifahrern unternommen werden. Deshalb versuche ich es bei uber.com. Doch der gebuchte Wagen kommt nicht, und, obwohl die Abholzeit überschritten war, konnte ich die Fahrt noch stornieren. Irgendwas ist da wohl schief gegangen.

Das bedeutet 18 Kilometer Asphalt für uns. Frustriert stiefeln wir los und halten unsere Daumen bei jedem Wagen hoch, ohne große Hoffnung, dass einer der vollgepackten Touristenautos anhält.

Nach zwei Kilometern denke ich: Vielleicht ist es dem anderen Hotel mit der Personenhaftung egal. Ich rufe dort an, sie haben ein Zimmer für uns, das Restaurant ist geöffnet und sie holen uns ab. Erleichtert gehen wir noch wenige Meter weiter, bis wir an einer kleinen, gut einsehbaren Kreuzung stehen, so dass unser Wagen dort gut anhalten kann. Nach keiner halben Stunde Wartezeit sitzen wir im Auto und fahren durch das wunderschöne Tal Richtung Klimpfjäll. Währenddessen erzählt uns die junge Frau vom Hotel vieles über die Gegend, die wohl im Sommer besonders zur Pilzzeit beliebt ist. Dann stehen hier am Wegrand hunderte von Autos, deren Insassen durch die Wälder gehen, um nach Pfifferlingen zu suchen. Im Winter liegt hier so viel Schnee, dass die Straße ab Klimpfjäll aufwärts gesperrt wird, was man sich an diesem herrlichen Tag irgendwie kaum vorstellen kann.

Nach wenigen Minuten sind wir schon am Hotel, gegenüber ist der Supermarkt, vor dem auch der Bus hält, der uns morgen nach Vilhelmina bringen wird, wo der nächstgelegene Flughafen ist.

Wir packen unsere Rucksäcke aus und schmeißen schon mal alles weg, was kaputt ist oder wir nicht mehr gebrauchen können. Kaputtgegangen sind meine Trekkingstöcke, die mich über 3000 Kilometer begleitet haben. Die Spitzen sind komplett weg. Petras Trekkingstöcke, die wir in Storlien gekauft haben, haben nach weniger als 300 Kilometer den Geist aufgegeben und bleiben ebenfalls hier.

Nach der Dusche setzen wir uns mit einem Bier auf die sonnige Terrasse und stoßen auf unseren verkürzten NPL an. Wir lassen die Wanderung noch mal Review passieren, planen unseren Heimweg ein wenig, unterhalten uns mit den anderen Gästen, die allesamt aus Schweden sind. Dann ist es auch schon 18:00 Uhr, das Restaurant öffnet und alle gehen hinein, um sich das Essen zu bestellen. Petra nimmt eine Pizza, ich ein Elch-Rentier-Gericht, was hervorragend schmeckt. Für einen Wanderer war die Portion leider etwas zu klein, aber wir haben ja auf unserem Zimmer noch Schokolade und Erdnüsse. Während wir diese genießen, buchen wir unsere Flüge und das Hotel. Wenn alles gut geht, sind wir bereits Übermorgen am frühen Nachmittag wieder daheim. Wir freuen uns drauf.

Die heutige Etappe in Zahlen

Kilometer

Gesamt18
Auf Asphalt0
Auf Schotter0
Auf Wanderwegen8
Querfeldein10

Höhenmeter

Bergauf140
Bergab250

Geschätzte Gehzeit

6 Stunden

9 Kommentare

  1. Ich finde es sehr stark und mutig wenn man seine Grenzen erkennt und akzeptiert! Richtig gemacht! Liebe Grüße!

    • Hallo Doro, vielen lieben Dank für deine Unterstützung. Wir freuen uns auf ein Wiedersehen. Liebe Grüße, Andreas & Petra

    • Hallo ihr beiden!
      Nur zu gut kann ich aus eigener Erfahrung 2013, eure Entscheidung nachvollziehen. Irgendwann ist einfach definitiv genug und einfach nur noch weiterlaufen um des weiterlaufens Willen, bringt nichts. Die Verhältnisse sind 2025 echt übel, kein Vergleich mit letztes Jahr, aber das ist nun mal das Naturgesetz, entweder das Glück ist da oder dann nicht.
      Kopf hoch und Blick voraus, schon bald werden die positiven Erinnerungen, die Enttäuschung verdrängen. Die Zukunft steht offen und das wunderschöne Land auch👍🍀😉
      Liebe Grüsse aus Helvetien🇨🇭
      Martin

      • Hallo Martin,
        vielen lieben Dank für deine aufmunternden Worte:-)
        Norwegen ist und bleibt unser Wanderland Nummer 1 (Schweiz ist übrigens auf Platz 2), daran werden die Erfahrungen diesen Jahres nichts ändern.
        Da wir noch genügend Urlaub zur Verfügung haben, gehts es bald in die Alpen, wo hoffentlich das Wetter besser ist.
        Liebe Grüße aus dem Ruhrpott,
        Andreas

  2. Na hi ihr Zwei,

    großen Respekt vor der Entscheidung, auch wenn diese bestimmt nicht leicht war, und danke für die tollen Geschichten und Bilder.
    Ich wünsche euch eine gute Heimreise und freue mich schon auf die nächstjährige NPL, sollte sie denn stattfinden.

    LG
    Florian

    • Hallo Florian,
      ja, das ist uns wirklich nicht leicht gefallen, obwohl wir die nun folgenden Etappen ja bereits kennen. Gerne hätten wir alles aber noch mal durchwandert. Und das Fjell bei Sonne im Herbst ist einfach unglaublich schön.
      Wir sind gut Daheim angekommen, aber Petra und ich werden definitiv keinen NPL mehr versuchen. Aber Norwegen ist nach wie vor unser Wanderland Nr. 1 und es werden in Zukunft bestimmt viele neue Berichte über Wanderungen im Norden Europas hier erscheinen.
      Liebe Grüße,
      Andreas & Petra

  3. Hallo ihr zwei, bin gerade in Stekkvassekv und habe wieder ein Netz und bei euch nachgelesen. Ihr habt die Zeit im Børgefjell treffend und spannend beschrieben. Echt toll zu lesen. Das Wetter ist nach wie vor nicht besser geworden. LG Helmut

    • Hallo Helmut, obwohl das von dir beschriebene Wetter natürlich unsere Entscheidung bestätigt, fühlen wir mit dir und hoffen, dass es sich bald ändert und endlich eine stabile Schönwetterphase beginnt. Wir verfolgen deinen Blog (challenge99.at) weiterhin und freuen uns auf schöne Bilder und Beschreibungen.
      LG Andreas & Petra

  4. Das freut mich natürlich dass ihr das Schwizerländli noch ein bisschen geniessen dürft.Auch wenn das Wetter diesen Sommer hier deutlich besser war als bei euch, so war die Hitze ein grosser Spielverderber. 0° Gradgrenze auf 5200 MüM ist definitiv übel!
    Aber so langsam setzt die schönste Jahreszeit ein und da wird es sicher noch Top Touren geben🍂🍁😎👍Und 🇳🇴 läuft ja nicht davon😉
    Liebe Grüsse in den Pott
    Martin

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