Die Nacht war furchtbar. Wir beide waren etas nervös, wegen dem bevorstehenden anstrengenden Tag und den ganzen Ungewissheiten. Hinzu kamen noch die Träger, die mitten in der Nacht auf die Idee kamen, Fangen zu spielen, und dabei gehörig Lärm gemacht haben.
Und zu guter Letzt hatten wir noch eine Maus im Zimmer, die wohl durch unseren Schinken angelockt wurde und versucht hat, diesen auch zu bekommen. Es ist schon erstaunlich, wie laut die Kratz- und Nagegeräusche eines solchen kleinen Tierchens einem vorkommen, wenn es ansonsten vollkommen still ist. Ich habe sicherheitshalber alle Lebensmittel eingesammelt, in eine Tüte gesteckt und diese in meinem Rucksack verpackt.
Um 4:30 Uhr sollte uns der Wecker aus dem Schlaf reißen, doch Petra war schon vorher wach, da sie dringend aufs Klo mußte. Als ich nach draußen ging, war ich vom Sternenhimmel überwältigt. So gut war er noch nicht einmal in der marokkanischen Wüste zu sehen. Schnell habe ich meine Kamera vorbereitet und auf das Stativ geschraubt und ein paar Aufnahmen gemacht.
Nach einem kurzen, sehr übersichtlichen Frühstück ging es dann im Schein unserer Stirnlampen los auf dem bereits bekannten Weg nach Ledar. Es ging erstaunlich gut und schon bald haben wir die Lodges des Nachbarortes erreicht. Alles war ruhig, alle Touristen und auch Einheimische schliefen noch fest.
Weiter ging es Richtung Thorung Phedi. Allmählich wurde es unmerklich immer heller und wir konnten irgendwann auch unsere Lampen ausstellen. Nach insgesamt 2 Stunden (also gegen 7:00 Uhr) hatten wir Thorung Phedi erreicht und sind in einer Lodge eingekehrt, um dort Frühstück zu essen.
Als der Lodge-Besitzer mit bekam, was wir vorhatten, meinte er, dass es viel zu spät sei, noch über den Pass zu laufen, denn dort weht ab 10:00 – 11:00 Uhr ein zu starker Wind. Dadurch bekommt man noch schlechter Luft und man kann die Symptome der Höhenkrankheit bekommen. Außerdem wird es durch den Wind um so kälter.
Im Speiseraum saßen auch zwei deutsche Mädchen, die auf ihren Kindles lasen. Mit ihnen kamen wir ins Gespräch und haben erfahren, dass sie heute einen Aufstiegsversuch nach 20 Minuten abbrechen mussten, da es zweien aus der Gruppe immer schlechter ging, je höher sie kamen. Morgen wollen sie den Pass erneut angehen. Zu unserem Plan meinten sie ebenfalls, dass wir viel zu spät dran seien.
Trotzdem gingen wir weiter, zumindest bis zum Highcamp wollten wir es versuchen. Es waren nochmals 400 Höhenmeter zu überwinden, wofür wir etwa eine Stunde gebraucht haben. Kurz vor den Lodges war der komplette Weg stark vereist und man mußte sehr sorgfältig jeden Schritt planen. Genau an dieser prekären Stelle kam uns eine Gruppe koreanischer Mountainbikefahrer entgegen, die aber das Rad fast nur tragen konnten, da der Weg zu steil und schwierig war.
Der Lodgebesitzer im Highcamp hielt noch weniger von unserem Vorhaben. Dennoch sind wir nach einer Tasse Hot Lemon weitergegangen. Draußen trafen wir auf ein Paar aus Slowakien, die schon in Thorung Phedi von den Crazy Germans gehört haben und mit uns den Aufstieg wagten. Wir sind aber nicht als Gruppe weitergelaufen, sondern unabhängig voneinander.
Ab hier sollte der komplette Weg zum Pass und leider auch ca. 1200 Meter runter Richtung Muktinath nur noch über Schnee verlaufen. Vorsichtig und langsam, dafür aber stetig, sind wir immer höher gestiegen. Zunächst fiel es uns auch noch leicht, fast normal, doch je höher wir kamen, desto anstrengender wurde es.
Auf ca. 5000 Meter ging es schräg einen Steilhang hinauf, von dem fast kontinuierlich meist kleine aber hin und wieder auch recht große Felsbrocken hinunterrieselten. Uns war etwas mulmig zumute, doch da mußten wir wohl durch. Nach weiteren 100 Höhenmeter kamen wir an einem kleinen, schmierigen Teehaus vorbei. Der kaum sauberere Besitzer hat uns zwei Hot Chocolate zubereitet. Als wir diese fast ausgetrunken hatten, kamen die Slowaken an. Sie sah ziemlich kaputt aus, doch er wirkte noch recht fit. Eine Unterhaltung mit ihnen war recht mühsam, da ihr Englisch nicht so doll war. Es sollte auch das letzte Mal sein, dass wir sie an diesem Tag gesehen haben, denn wir haben kurz darauf bezahlt und sind weitergegangen.
Nun ging es zum Endspurt, der gefühlt zu einer Endkriecherei wurde (doch tatsächlich waren wir recht schnell unterwegs, wie sich später herausstellte). Hier oben war die Luft so dünn, dass wir ca. alle 20 Minuten eine kurze Verschnaufpause einlegen mussten. Auf meinem Garmin habe ich dann auch genau ablesen können, wie hoch wir waren, doch irgendwie schienen wir immer langsamer an Höhe zu gewinnen und der Pass nicht näher zu kommen.
Zu dem wurde es immer windiger, doch meistens waren wir im Windschatten der Hänge, die wir hinauf mussten. Nur auf den ebenen Abschnitten war es teilweise recht unangenehm, aber immer noch gut auszuhalten. Ein Sturm war es auf jeden Fall nicht.
Nach fast 7 Stunden, gegen 12:00 Uhr haben wir den Pass (5416m) doch noch erreicht. Laut japsend und nach Luft ringend haben wir uns umarmt, geküsst, die obligatorischen Fotos gemacht, die Gebetsfahnen aufgehängt und schon ging es weiter. Im Teehaus auf der Passhöhe wollten wir keine weitere Pause einlegen, wir wollten nur noch hinunter.
Wie bereits erwähnt, lag leider auch auf der anderen Seite noch viel Schnee. Trotzdem ging es auf dieser Schneedecke gut voran, wir hatten ja auf unseren anderen Wanderungen genug Erfahrungen mit diesem Untergrund sammeln können. So kam es, dass wir schon bald eine koreanische Gruppe überholt haben, bei denen der Letzte erschreckend langsam und unbeholfen den Berg hinuntergestolpert ist, obwohl alle in dieser Gruppe Schneeketten unter den Bergstiefeln hatten.
Nach einer weiter Stunde haben wir eine fünfköpfige Gruppe, die aus einem nepalesischen Guide und zwei deutschen Paaren (alle so um die Mitte 50) bestand, eingeholt. Sie waren zwar schneller unterwegs als die Koreaner, aber auch etwas unsicher. Der Guide war recht nett, mit ihm kamen wir bei einer Pause ins Gespräch.
Je tiefer wir kamen, desto matschiger wurde der Schnee und auch der Untergrund. Mittlerweile wurden unsere Beine immer müder, doch Muktinath war noch nicht zu sehen. Quasi genau an der Schneegrenze haben wir eine Reihe kleinerer Lodges erreicht (Chabarbu, 4200m), wo wir noch schnell eine weitere Pause eingelegt haben.
Wir waren zwar bereits 1200 Höhenmeter abgestiegen, doch noch weitere 500 lagen vor uns. Diese waren aber recht angenehm zu laufen, da wir endlich festen Untergrund unter den Füßen hatten. So kamen wir dann letzendlich locker aber auch irgendwie erledigt gegen 4:15 in Muktinath an. Hier ist eine große, sehenswerte Tempelanlage, die sowohl für Buddhisten als auch Hinduisten von großer Bedeutung ist, doch davon wollten wir nichts sehen und wissen. Zügig ging es weiter in das nebenan gelegene Ranipauwa, wo wir uns eine Lodge aussuchten.
Nach 11,5 Stunden waren wir somit am Ziel. 2,5 Stunden waren davon sicherlich Pause, so dass wir insgesamt für 20km, 1300hm rauf und 1700hm runter 9 Stunden benötigten. Wir waren mit dieser Leistung zufrieden und stolz, doch auch müde und hungrig.
Das Hotel sah leider von außen mal wieder wesentlich besser als von innen. Doch egal, die Dusche war zwar für deutsche Verhältnisse gewöhnungsbedürftig, aber immerhin wirklich heiß, was nach diesem harten Tag eine Wohltat war. Das Essen war ebenfalls OK, doch heute hätte uns bestimmt alles geschmeckt. Sofort nach dem Essen ging es ins Bett, wo ich fast augenblicklich eingeschlafen bin.