Das Frühstück war recht spärlich, denn jeder von uns hatte nur zwei recht dünne Scheiben Toast und Kaffee. Mit uns im Zimmer saß ein Wanderer, den wir gestern kurz vor Muktinath noch überholt haben. Es stellte sich heraus, dass er ein Inder war, der nach 17 Jahren USA mit seiner Familie wieder zurück in die Heimat gezogen ist, um ein Sabbatt-Jahr einzulegen, denn er hat keine Lust mehr als Manager von SW-Projekten zu arbeiten und ist nun auf der Suche nach neuen Herausforderungen. Mit der Herausforderung Thorung-La hat er sich aber fast übernommen. So kaputt wie gestern hat er sich in seinem ganzen Leben noch nicht, obwohl er oft schon Halbmarathonstrecken gelaufen ist. Leider mußten wir unser sehr interessantes Gespräch irgendwann abbrechen, da Petra und ich uns noch die Tempelanlage Muktinath anschauen und noch hinab nach Kagbeni wollten.
Die wenigen Höhenmeter nach Muktinath fielen mir sehr schwer, ich wurde von einigen exotisch aussehenden Schamanen überholt. In der von einer hohen Mauer umgebenen Anlage sickerte es aus allen Poren von Spiritualität. Die Luft war geschwängert von Räucherstäbchen. Fast ununterbrochen waren Glocken, die hier an vielen Holzgestellen hingen, zu hören. In allen, nun laublosen, Bäumen hingen zahllose Gebetsfahnen. Man hatte als katholisch erzogener Westeuropäer fast schon Angst, sich hier irgendwie falsch zu verhalten, und schritt vorsichtig und andächtig durch diese weitläufige Anlage.
Den Tempel mit den 108 Wasserspeiern hatten wir schnell gefunden. Doch es sollte auch eine Gompa geben, in der Erdgas ausströmt und somit eine natürliche, ewige Flamme zusehen ist. Wir wollten unsere Suche schon erfolglos abbrechen, als wir zufällig von meinen jungen Mann angesprochen wurden, der uns auf englisch den Weg beschreiben konnte. Die Gasflamme war letzendlich dann doch eher enttäuschend.
Anschließend ging es weiter. Vor 19 Jahren, als wir das erste mal in dieser Gegend waren, gab es noch keine Straße nach Muktinath und wir sind damals dem heutigen Straßenverlauf folgend gewandert. Heute ist aufgrund des Verkehrs und der damit verbundenen Staub-, Lärm- und Geruchsbelästigung der Wanderweg auf die andere Talseite verlegt worden.
Doch von hier aus hatte man einen wundervollen Blick auf die Berge, die wir auf der alten Wegführung nicht sehen konnten. Daulaghiri und Annapurna I waren fast die gesamte Zeit zu sehen. Der Weg führte uns durch eine handvoll kleinere, mitteralterlich anmutende Dörfer, in jedem war eine Gompa, auf allen Dächern wehten große Gebetsfahnen. Die Ansiedlungen waren umgeben von terrassierten Feldern, auf vielen waren schon die ersten grünen Pflanzen zu sehen.
Meistens ging es bergab, nur selten war ein Gegenanstieg notwendig. Nach dem letzten Dorf wurde die Landschaft fast wüstenähnlich. Auf der gegenüber liegenden Talseite war die Straße gut sichtbar und oft konnte man auf ihr Jeeps oder Busse sehen.
Bereits nach 4 Stunden waren wir in Kagbeni. Das einzige, was ich von diesem Dorf wiedererkannt habe, ist die große, rote, kubusförmige Gompa. Um sie herum sind uralt anmutende, ärmliche Häuser, zwischen denen sich ein unüberschauberes Gassenwirrwarr erstreckt. Auf unserem Irrweg zu einer Lodge sind wir zufälliger Weise an der Safe Drinking Water Station vorbeigekommen. Als Petra mit einem 500 Rupienschein bezahlt hat, ist die Frau, da sie kein passendes Wechselgeld hatte, verschwunden. Nach einiger Zeit sind wir vor das Haus gegangen und haben sie beim Teppichwaschen mit einigen anderen Frauen gesehen. Erst nach mehrmaligen Hallos (sie kann kein Englisch) ist sie irgendwann losgezogen, um das Wechselgeld zu besorgen.
Nach einigem Hin und Her haben wir uns für die Lodge YacDonald’s entschieden und dort sofort Apple Crumble und Kaffee bestellt. Nach Duschen und Wäschewaschen sind wir noch mal durch den Ort gelaufen und haben in einem Cafe, was uns schon beim Betreten des Ortes aufgefallen ist, Capuccinos getrunken. Das Cafe war total modern eingerichtet, mit Espressomaschine, illy-Tassen, Edelstahlgeländer, Glastischen etc. Es ist für uns immer wieder erstaunlich, was sich innerhalb der fast 20 Jahre seit unserem ersten Besuch in dieser Gegend alles verändert hat: Lodges mit Free WiFi, Zimmer mit eigenen Klo und eigener, warmer Dusche, elektrische Strassenbeleuchtung, überhaupt Strom in noch so kleinen Orten, Strassen im Gebirge, Handys überall, kaum Träger (alles wird mit LKWs, Autos oder Motorrädern transportiert), Satellitenschüsseln an allen Häusern, Strommasten, …