Direkt vor unserem Hotel steht eine rote, typisch englische Telefonzelle. Doch da telefonieren heute mit dem Handy immer und überall möglich ist, haben diese Einrichtungen eigentlich ihre Daseinsberechtigung verloren. Aber anstatt die ikonischen Häuschen abzureißen, hat man ihnen hier ganz pragmatisch eine komplett neue Bedeutung zu gewiesen, denn nun hängen in ihnen nicht mehr Telefonapparate sondern Defibrillatoren.
Wir lassen die Defibriallatorzelle rechts liegen und laufen einen halben Kilometer den Weg zurück, den wir gestern in das Dorf genommen haben. Es ist kurz vor neun, der Weg liegt im Schatten und uns fröstelt es leicht. Eine weitere Schicht anzuziehen, lohnt sich aber auch nicht, denn wir wissen, in spätestens 15 Minuten beginnt ein fünf Kilometer langer Anstieg.
Unser Weg ist gesäumt von schulterhohen und moosbewachsenen Natursteinmauern, hinter denen auf den Weiden die Schafe faul Gras fressen. Vor uns können wir bereits das Tal erkennen, in dem wir hochwandern werden. Leider hängt über dem Pass eine dicke Wolkenschicht, während hier im Tal noch alles sonnenbeschienen ist.
Wir überqueren eine befahrene Straße und dahinter fängt direkt der Pfad an. Die Steigung ist heute sehr moderat, die Sonne scheint mal ausnahmsweise nicht so heiß auf uns hinunter und wir fühlen langsam, dass unsere Kondition besser wird. Dies zusammen lässt uns den Pass recht zügig unter zwei Stunden erreichen. Kurz vor der höchsten Stelle des Tages nimmt der Wind ungemütlich zu, doch wir frieren lieber ein wenig, als unsere Windjacken überzuwerfen.
Hinter dem Pass erwartet uns ein kleiner See und ein schöner Blick in das Tal, wo wir im Dörfchen Patterdale übernachten wollen. Auch auf dieser Seite ist der Weg gut und zügig zu gehen. Je tiefer wir kommen, desto mehr erinnert die Landschaft an einen durchgeplanten Park und die Häuser sehen fast aus wie in einem Freilichtmuseum.
Nach nur vier Stunden erreichen wir unser Ziel und begeben uns direkt zur Side Farm, wo es einen Campingplatz geben soll. Doch davon sieht man an der Farm nichts und die Gebäude dort sehen so rustikal aus, dass wir beschließen, noch mal eine Runde durchs Dorf zu drehen, um einen andere Übernachtungsmöglichkeit zu finden.
Leider bleibt unsere Suche erfolglos, denn die eine Herberge vermietet nur wochenweise, die andere ist ausgebucht, die Jugendherberge seit einigen Jahren geschlossen, und der Pub White Lion hat die Zimmervermietung wohl aufgegeben. Das Patterdale Hotel hat zwar noch ein Zimmer frei, doch das gibt man uns an der Rezeption nicht, denn das geht nur über eine Telefonnummer, wo ich in einer Warteschlange lande.
Darum geht es wieder zurück zur Side Farm, wo wir auf einem recht schrägen Wiesenstück noch einen akzeptablen Platz für unser Zelt finden. Die Duschen sind kaum besser als der Nepalstandard, aber wenigstens heiß.
Bereits um 15:30 Uhr sind wir wieder im White Lion und bestellen uns Bier und unser recht frühes Abendessen.
Es gibt in diesem Dorf eine kleine Kapelle, die damit wirbt, dass es im Inneren freies WiFi gibt. Wir fragen uns, wer das wofür beim Gottesdienst braucht. Oder ist Gott nun neuerdings online erreichbar?