Zum Start des nächsten Wandertages ist das Wetter besser als vorhergesagt, denn es regnet nicht. Doch die Freude ist nur von kurzer Dauer, dann tritt die Wetterprognose ein. Die Regenjacke ziehen wir an und den restlichen Tag nicht mehr aus. Aus einem nun nicht mehr nachvollziehbaren Grund ziehe ich aber die Regenhose nicht an.

Bereits nach der ersten Furt sind unsere Füße naß und kalt. Auch das wird sich im Laufe des gesamten, langen Tages nicht mehr ändern.
Unser Weg folgt dem Fluß immer weiter hoch, wobei der Weg nicht als Pfad existiert, sondern hier im weglosen Børgefjell ist das die geplante Strecke. Ab und zu stoßen wir auf Pfade und Fußspuren, doch größtenteils suchen wir uns unseren eigenen Weg durch die Wildnis.
Je höher wir kommen, desto felsiger wird es. Immer öfter müssen wir Steinfelder queren. Leider auch recht viele Bäche und einige sumpfige Passagen. Zu allem Überfluss zieht auch Nebel auf, was die Navigation recht schwierig macht. Und ein sehr starker Wind kommt auf, dessen Böen mich oft zu einem Ausfallschritt veranlassen, um einen Sturz zu verhindern.

So kommt es, dass wir zunächst einen falschen Paß erklimmen. Nachdem wir unseren Fehler bemerken, queren wir zum Nachbarpaß und beginnen den langen Abstieg.
Das zunächst angesteuerte Schneefeld ist verharscht und neigt sich recht bald sehr steil dem Tal entgegen. Darum queren wir es nur zum benachbarten Steinfeld, was sich aber auch steil den Hang hinunterzieht. Ich wähle deshalb einen Weg leicht bergab, aber fast parallel zum Hang, in der Hoffnung, dass ich irgendwo ein flacheres, passierbareres Stück finde.
Tatsächlich stoße ich glücklicherweise auf eine solche Möglichkeit. Es ist zwar immer noch recht steil, aber es sieht für uns beide machbar aus. Vorsichtig und mühselig steigen wir ab. Vor lauter Konzentration vergessen wir zu frieren.
Erst als wir sicheren Boden unter den Füßen haben stellt sich dieses Gefühl wieder ein. Ich wechsle meine klätschnasse Wander- gegen die Regenhose und mein T-Shirt gegen einen Fleece-Pullover, den ich über mein Merino-Mesh-Shirt ziehe. Außerdem setze ich meine Mütze auf und ziehe meine dicken Fäustlinge an. Nun friere ich nur noch leicht.
Kaum haben wir den nächsten Paß überschritten scheint sogar die Sonne, wenn auch nur für wenige Augenblicke, bevor dann ein Graupel-Schnee-Regenschauer einsetzt, den der Sturm uns so richtig von hinten um die Ohren weht. Aber in diesem sonnigen Moment sehen wir, durch was für eine schöne Landschaft wir eigentlich wandern. Vorher konnten wir das in dem ganzen Grauingrau überhaupt nicht würdigen.
Das macht es eigentlich für uns fast nur noch schlimmer, denn bei den Mühsalen, die wir hier aufbringen müssen, fragen wir uns heute unabhängig voneinander, was uns das eigentlich bringt. Wir quälen uns hier ab, riskieren Gesundheit und Leben, frieren so stark, was wir mit den zittrigen Händen kaum noch das Handy bedienen können, nur um das festgelegte Tagesziel zu erreichen, ohne von der eigentlichen Wanderung noch nicht mal einen schönen Moment genießen zu können. Zum ersten Mal auf dieser gesamten Tour denke ich daran, diese abzubrechen. Und Petra geht es genau so. Doch man sagt ja: Never quit on a bad day. Mal schauen, wie wir das morgen sehen.
Da unser Tagesziel, die Ranserbua, immer noch fast drei Stunden entfernt ist, beginne ich, nach windgeschützten Zeltplätzen Ausschau zu halten. Doch ich finde keine.
Wir gehen immer weiter, stoßen auf einen endlos langen Rentierzaun, der genau in unserer Richtung verläuft. Das macht die Navigation recht einfach. Wir folgen diesem ab nun einfach.
Irgendwann taucht dann unterhalb und auf der anderen Seite des Zaunes die Hütte auf. Um über den Rentierzaun zu kommen, ist eine wackelige Leiter aufgebaut. Doch um über den rauschenden Bach zu kommen, der uns noch von unserem Ziel trennt, gibt es leider keine Brücke. Wieder mehr als knietief und mit kräftiger Strömung geht es durch den Bach. Petra sucht sich ihren eigenen Weg und kommt auch problemlos hindurch.
Wenige Minuten später sind wir bei der sehr kleinen Hütte, die zwei Pritschen auf jeder Seite, einen Tisch und einen Ofen hat. Diesen feure ich auch sofort an, doch bei der leicht zugigen Hütte dauert es lange, bis wir die Wärme merken.
In der Zwischenzeit haben wir unsere nassen Klamotten aus- und trockene angezogen. Die nasse Wäsche hängen wir an einer Leine auf, die unter der niedrigen Decke gespannt ist.

Wir kochen uns einen Kaffee, essen Schokolade und sofort geht es uns besser. Danach bereiten wir unsere Mahlzeiten vor, die wir essen, während wir in unseren warmen Schlafsäcken liegen. Eine Kerze sorgt für etwas Licht, denn inzwischen ist es bereits neun und bei dem schlechten Wetter sehr dämmerig.
Die heutige Etappe in Zahlen
Kilometer
Gesamt | 27 |
Auf Asphalt | 0 |
Auf Schotter | 0 |
Auf Wanderwegen | 0 |
Querfeldein | 27 |
Höhenmeter
Bergauf | 1100 |
Bergab | 870 |
Geschätzte Gehzeit
12 Stunden 30 Minuten