Morgens war vom blauen Himmel nichts mehr zu sehen. Es hatte sich wieder zugezogen, es war stürmisch und es schneite. Leider konnten wir auch in dieser Nacht keine Polarlichter beobachten.
Nach dem Frühstück haben Ines und Corinne Holz gehackt und Petra und ich sind zum Wasserholen aufgebrochen. Der Wind war sehr stark und kam direkt von vorne. Die Strecke zum Wasserloch war mit Birkenstöcken markiert, aber aufgrund des aufgewirbelten Schnees waren wir manchmal froh, wenn wir überhaupt den nächsten sehen konnten. Da das Gehen so mühselig war, kam uns der Weg sehr lang vor. Zum Schluß haben wir sogar gedacht, dass wir eine falsche Abzweigung genommen haben, doch dann konnten wir auf dem zugefrorenen Fluß mehrere dicht beieinander stehende Birkenzweige erkennen und daneben noch einige Gegenstände.
Das Loch war hier mit einem kleinen Holzgestellt gesichert. Außerdem lagen daneben wieder ein Trichter, ein Eimer und eine große Schneeschaufel. Alles war festgebunden, damit es nicht davongeweht wird oder durch das Wasserloch in den Fluß fallen kann. Das Seil war komplett mit einer Eisschicht überdeckt.
Nachdem ich das Gestell beiseite geschoben hatte, konnten wir das fließende Wasser sehen. Die Wasseroberfläche befand sich 20cm unterhalb der Schneeoberfläche. Die eigentliche Eisdecke muss noch größer gewesen sein, da sich ja auch ein Teil unterhalb des Wassers befindet.
Um den Eimer zu füllen, musste ich mich hinknien und so war mein Gesicht nun direkt in der Höhe, auf der der Wind den Schnee vor sich her trieb. Ich konnte somit kaum noch was erkennen. Auch nicht, ob überhaupt Wasser in den Eimer fließt oder nicht. Das Loch war gerade groß genug, dass der Eimer etwas in das Wasser eintauchen konnte, wenn ich ihn mit der Schaufel immer wieder hinuntergedrückt habe. Die Eisschicht auf der Schaufel wurde so rasch dicker und alles noch mühseliger.
War der Eimer einigermaßen gefüllt, habe ich den Inhalt in den Trichter geschüttet, den Petra festhalten musste. Dabei sind meine Handschuhe schnell durchnässt worden, was bei der Kälte dazu führte, dass sie innerhalb weniger Augenblicke ebenfalls zu Eis erstarrten. Meine Finger waren entsprechend kalt und mit der Zeit gefühllos.
Nach jedem Umschütten des Wassers vom Eimer in den Kanister, war Eis im Trichter, den wir immer wieder ausschlagen mussten. Das gleiche Problem hatten wir mit dem Eimer. Auch dort sammelte sich Schnee und Eis und das Wasser gefror darin.
Nach einer gefühlten Ewigkeit hatten wir beide Kanister gefüllt. Schnell war das Loch wieder abgedeckt, und wir machten uns auf den Rückweg. Zwar kam jetzt der Wind von hinten, doch nun ging es mit den fast 50kg schweren Kanistern bergauf.
Als wir an unserer Hütte ankamen mussten wir uns erst mal aufwärmen. Ines und Corinne hatten mit dem frisch gemachten Feuerholz für eine wohlige Wärme in der Hütte gesorgt. Da die heutige Etappe wieder recht kurz und fast ohne Anstieg war, konnten wir uns Zeit lassen und bessere Bedingungen abwarten.
Gegen 10:30 Uhr sind wir aufgebrochen, es war immer noch windig, doch wir hatten wenigstens Sonnenschein. Als wir an der Nachbarhütte vorbeigegangen sind, haben wir mit Erstaunen festgestellt, dass sich dort eine Husky-Gruppe einquartiert hatte. Auch diese bereitete gerade ihren Aufbruch vor, die Hunde lagen aber alle noch friedlich im Schnee. Eventuell wurde die Gruppe von Jan Klaudiussen von der Bardu Husky Lodge geführt, mit ihm wir vor einigen Jahren mal unterwegs waren, und er bot eine Tour in dieser Gegend und zu dieser Zeit an. Gesehen hatten wir ihn aber nicht.
Auch heute kam uns keiner entgegen, was aber auch daran liegen kann, dass der Großteil der Leute ab der Singi Hütte Richtung Kebnekaise Hütte laufen. Das Wetter wurde immer besser, letztendlich hatte wir nur noch leichten Wind. Trotzdem waren unsere Spuren, wenn wir bei einer kurzen Rast mal in die Richtung, aus der wir kamen, geschaut haben, fast zugeweht und kaum noch erkennbar. Auch waren die Pausen recht ungemütlich, aber wir hatten wenigstens eine gute Sicht.
Nach 4 Tagen Schneewüste kamen wir zum Ende der Etappe mal wieder in einen Birkenwald, was einerseits eine Abwechslung darstellte, aber auch für einen guten Windschutz sorgte. Der Weg führte uns entlang eines zugefrorenen Flusses fast bis zum Ufer des Sees Padje Kaitumjaure, wo dann etwas oberhalb die Kaitum Hütte lag. Sie bot eine tolle Aussicht auf den See und die umliegenden Berge. Außerdem waren die Bänke vor der Hütte im Windschatten und lagen im Sonnenschein, so dass wir dort einen Großteil des Nachmittags verbrachten, und wo wir das Bier, das Ines uns allen ausgegeben hat, genießen konnten.
Mit uns in der Hütte waren auch 4 Schweden, die mit Skidoos angereist waren. Da das Wasserloch 15 Minuten zu Fuß entfernt war, sind sie dankenswerter Weise mit ihren Mobilen mehrmals dort hin gefahren, um die Wasservorräte aufzufüllen. Diese Vier treffen sich schon seit Jahren, um ein gemeinsames verlängertes Wochenende zu verbringen, an dem sie dann Skitouren unternehmen. Da sie zudem kein Transportproblem haben, hatten sie Bier, Weißwein, Rotwein sowie eine unüberschaubare Auswahl an Proviant mit. Sie haben sogar an frische Petersilie gedacht, mit der sie ihre Mahlzeiten garnierten.
Bei uns gab es nicht minder leckere Linsenbolognese, die wir mit einem weiteren Bier hinuntergespült haben.
Da in den anderen Hütten noch weitere Wanderer waren, wurde es in der Damensauna recht voll, zumal der Raum dort recht klein war. Ich habe mir deswegen den Saunabesuch heute gespart.
Nach dem Essen haben wir uns unterhalten, Uno gespielt und immer wieder zum Fenster hinausgesehen, da wir bei dem klaren Himmel Hoffnung hatten, endlich Polarlichter zu erblicken. Doch sie zeigten sich nicht – so dachten wir. Aber als einer der 4 Schweden wieder in die Hütte kam, hat er allen verkündet, dass draußen die Polarlichter genau über der Hütte zu sehen sind. Schnell sind alle hinaus und das Spektakel, das sich uns am Himmel bot, wurde immer stärker. Immer wieder erschienen diese rätselhaften grünen Lichtbögen am Himmel. Wie große Gardinen waberten sie über uns. Mal waren sie mehr am linken Berg, mal am rechten. Oder sie überspannten gar das ganze Tal. Für Petra waren dies die ersten Polarlichter und quasi auch ein etwas verfrühtes Geburtstagsgeschenk.
Nach einer viertel Stunde wurden die Lichter immer schwächer und verschwanden schließlich ganz. Wir sind zwar wieder in die Hütte gegangen, doch ich habe noch lange Zeit am Fenster gesessen, um nicht zu verpassen, falls sie wiederkehren sollten. Kurze Zeit später war tatsächlich ein schwaches grünliches Glimmen am Himmel erkennbar und ich bin wieder hinausgeeilt, doch stärker wurde es in dieser Nacht leider nicht mehr.