Die Nacht war zwar aufgrund des starken Windes etwas unruhig, doch insgesamt wachen wir erholt auf. Wir waschen uns in der Fjälllstation und Petra kann sogar noch ihr Handtuch zum Trocknen in den Trockenraum hängen. Was für ein Luxus.

Das wird noch getoppt durch das Frühstücksbuffet, wo vier Waffeleisen aufgebaut sind. Nach zwei Schnitten wechsle ich auf Waffeln mit Sauerrahm und einer dicken Schicht Blaubeermarmelade. Jeder von uns isst zwei Stück, und, obwohl wir so satt sind, aber es so gut schmeckt, teilen wir uns noch eine weitere.

Wir können uns kaum bewegen, so voll sind wir, doch wir machen uns dann auch schon auf den Weg zur Blåhammerens-Fjälstation. Nach einem Kilometer hält Petra erschrocken inne, denn sie hat ihr Handtuch im Trockenraum vergessen. Sie eilt zurück, ich warte derweil. Einigen besorgten Mitwanderern, die an mir vorbeigehen, muss ich die Situation erklären.

Wie gestern so wird auch heute im Laufe des Tages das Wetter immer besser.

Und wir sehen jede Menge Rentiere. Einzelne, Familie, kleine Gruppen und riesige Herden sind zum Teil recht dicht an uns vorbei. So viele Rentiere an einem einzigen Tag haben wir bisher noch nie gesehen. Alleine hierfür hat sich der Abstecher nach Schweden gelohnt.

Immer wieder halten wir an, fotografieren und beobachten diese Tiere, die irgendwie mühelos dieses Terrain mit großer Geschwindigkeit und eine unbeschreiblichen Eleganz überqueren können. Ich wünschte, ich wäre nur halb so schnell.

Da dieser Abschnitt zum Jämtland-Dreieck gehört, ist er für skandinavische Verhältnisse richtig überlaufen. Doch im Vergleich zu den Alpen halten sich die Menschenmengen noch in Grenzen.

Gegen zwei Uhr erreichen wir unser Ziel. Kurz überlegen wir, die nächste Etappe direkt dranzuhängen, bleiben aber hier. Blåhammerens liegt direkt auf einem Pass. An Pässen ist es ja meistens windig, doch hier ist es heute richtig stürmisch. Wir suchen lange nach einem Zeltplatz, denn die Hütte ist total ausgebucht. Schließlich finden wir einen halbwegs guten Platz. Doch als das Zelt steht, bin ich sehr skeptisch, denn der Wind verfängt sich schon recht deutlich in der Zeltwand.

Blåhammerens Restaurant ist seit einige Zeit geschlossen, da die Sami dies zum Schutz der Rentiere gefordert haben. Die restliche Infrastruktur der Hütte (Shop, Dusche, Küche, Aufenthaltsbereich) wollen wir aber gerne nutzen. Darum wollen wir auch nicht weiter unten unser Zelt aufbauen.

Nach dem Duschen hat der Wind noch einen Zahn zugelegt. Wir beschließen, das Zelt nicht alleine zu lassen. Also koche ich Wasser in der Küche, fülle es in unsere Thermosflaschen, kaufe im Shop einige Süßigkeiten und ein Bier und wir essen unsere gefriergetrockneten Mahlzeiten im Zelt.

Anschließen lesen wir und dösen herum. Der Wind legt immer mehr zu. Es ist unheimlich laut im Zelt, wir können uns kaum unterhalten. Ich habe zwar keine Bedenken, dass das Zelt oder die Verankerung nicht hält, aber richtig wohl ist mir nicht. Und an Schlafen ist bei dieser Unruhe gar nicht zu denken.

Gegen neun, eine Stunde vor Sonnenuntergang, beschließen wir, das Zelt abzubauen und abzusteigen. Irgendwo weiter unten wird sich schon ein windgeschützter Stellplatz finden. Hektisch packen wir alles ein, bauen das Zelt ab, packen die Rucksäcke und eilen an den anderen Zelten vorbei Richtung Tal.
Auch den anderen Zelten ist der Sturm anzusehen. Eines liegt fast komplett flach am Boden, während der Wanderer davor sitzt und kocht. Die Ruhe finde ich schon beneidenswert.
Wir gehen und gehen, doch finden keinen Zeltplatz und es wird bereits merklich dunkler. Dann, wie ein kleines Wunder, taucht vor uns eine Schutzhütte auf. Als ich die Tür öffne, finde ich einen leeren Raum vor. Und die Hütte sieht relativ neu und sauber aus. Zuerst wollen wir im Windschatten der Hütte unser Zelt aufbauen, doch relativ schnell beschließen wir, in der Hütte zu übernachten.

Wir packen Matten und Schlafsäcke aus, Petra zündet zwei Teelichter, die von unseren Vorgängern noch hier stehen, an und wir haben es so richtig gemütlich. Und wir haben noch eine Dose Bier, die wir nach dieser Aufregung genüsslich teilen.
Aber selbst hier, 150 Höhenmeter unterhalb des Passes, fegt der Wind sehr stark um die Hütte. Machmal erzittert sie in den Böen. Und im Kamin des Ofens pfeift es ganz tüchtig. Die Hütte selbst knarzt und quietscht im Takt des Windes.
Es dauert eine Weile, doch dann schlafe ich ein im Wissen, dass wir die richtige Entscheidung getroffen und wirklich mit dieser Hütte einen Glückstreffer gelandet haben.
Die heutige Etappe in Zahlen
Kilometer
Gesamt | 21 |
Auf Asphalt | 0 |
Auf Schotter | 0 |
Auf Wanderwegen | 21 |
Querfeldein | 0 |
Höhenmeter
Bergauf | 570 |
Bergab | 670 |
Geschätzte Gehzeit
5 Stunden 30 Minuten