Als ich aufwache, höre ich den Wind, der um unsere Hütte pfeift. Ein Blick durchs Fenster zeigt einen aufgewühlten See, auf den die Böen ständig neue Muster malt. Leichter Niesel fällt. Es ist kalt und ungemütlich.
Petra und mir ist schnell klar, die über 20 Kilometer zur Hovatn-Hütte wollen wir unter diesen Bedingungen nicht angehen. Es wird also wieder nur ein recht kurzer Tag, denn zur Storsteinen-Hütte sind es nur 12 Kilometer, das sollten wir ja in vier Stunden schaffen. Darum drehen wir uns noch mal um, und schlafen noch ein halbes Stündchen länger.
Als wir aufstehen, hat Claude bereits ein Feuer im Ofen entfacht, dessen Wärme aber noch nicht richtig spürbar ist. Wir frühstücken in Daunenjacke, packen unsere Rucksäcke und ziehen los. Dieses Mal haben wir lange Shirts an und die Handschuhe griffbereit. Die Regenjacken tragen wir sowieso.

Direkt oberhalb der Hütte ist ein Wasserfall, der sich im Flacheren in zahllose kleine Bäche aufspaltet. Darum müssen wir in den ersten Minuten mehr als acht Mal von Stein zu Stein balancierend die schmalen Bäche überqueren.
Der Weg ist hier noch gut zu gehen und trotz des schlechten Wetters macht das Wandern wieder Spaß.
Nach einer Stunde erreichen wir einen breiten, tiefen und schnell dahinströmenden Fluß. Wir tauschen unsere Wander- durch unsere Furtschuhe aus und gehen vorsichtig ins Wasser. Es ist eiskalt. Im Uferbereich noch recht flach, doch dann geht es recht bald immer tiefer, bis ich bis zum Knie im Wasser stehe. Die Beine gegen die Strömung zu bewegen, erfordert merkbar mehr Kraft. Gestützt durch unsere Trekkingstöcke tasten wir uns langsam voran, versuchen glitschige Steine und tiefere Stelle zu vermeiden. Dann erreichen wir bereits das gegenüberliegende Ufer und ziehen schnell die Socken wieder über unsere nasse Füsse, damit sie wieder auf Betriebstemperatur kommen.

Leider regnet es unaufhörlich und ein kalter, kräftiger Wind bläst uns die Tropfen ins Gesicht. Der Weg geht ständig auf und ab.
Ein Abschnitt des Weges verläuft über einer Kette von kleinen Inseln quer durch einen See. Zwischen den Inseln sind relativ schnell und einfach zu bewältigende Furten.
Durch den Regen sind alle Steine glitschig. Wir müssen sehr vorsichtig gehen und kommen nur recht langsam voran. Eigentlich haben wir mit einer Gehzeit von vier Stunden gerechnet, doch zu diesem Zeitpunkt haben wir immer noch 5 Kilometer vor uns.

Hier legen wir die einzige Pause des Tages ein. In den Windschatten eines größeren Steins hocken wir uns auf unsere Rucksäcke und wickeln uns in unsere Zeltunterlage. So sind wir etwas vor den Elementen geschützt. Petra kam heute Morgen auf die Idee, Tee zu kochen und in ihre Thermoskanne zu füllen. So haben wir etwas zum Aufwärmen.
Die restliche Strecke wird zur Qual. Wir sind nass und durchgefroren, die Beine sind müde von den vielen morastigen Abschnitten. Jeder Schritt erfordert Aufmerksamkeit und Konzentration. Sobald wir mal nicht aufpassen, rutschen wir aus, stolpern oder stürzen sogar.
Erleichtert, es endlich überstanden zu haben, erreichen wir Storsteinen. Wir sind alleine, breiten schnell überall unsere Sachen zum Trocknen aus, machen Feuer, trinken Kaffee, waschen uns – halt die übliche Ankommensroutine. Da uns immer noch kalt ist und der Ofen noch nicht das Zimmer aufgeheizt hat, sitzen wir in Daunenjacken gehüllt. Nach und nach wird es wärmer, wir genießen es, lesen und entspannen uns.

Als wir schon nicht mehr damit rechnen, kommt auch Claude an. Wir sind entsetzt, denn er hat eine blutige Wunde im Gesicht. Er muss gestürzt sein. Als er in der Hütte ist, erfahren wir, dass er neben der relativ harmlosen Platzwunde an der Nase, noch eine Schwellung an der Hand und eine ausgekugelte Schulter hat. Er musste mit diesen Verletzungen ca. zwei Stunden wandern.
Sein Unfall ist passiert, als er zum Angeln zu einem See absteigen wollte und kurz ablenkt war. Er kann glücklich sein, dass nichts Schlimmeres passiert ist.
Am Abend unterhalten wir uns lange Zeit über Wandern, Bären und Wölfe, Europa und Separationsbewegungen. Sehr interessant sind auch seine Erzählungen von seinen vielen Bergrettungseinsätzen. Das alles passiert natürlich auf englisch.
Immer wieder schauen wir raus und hoffen, dass sich die Wolken verzogen haben. Doch das Wetter ist leider stabil schlecht. Hoffentlich ändert es sich die Nacht über.
Die heutige Etappe in Zahlen
Kilometer
Gesamt | 14 |
Auf Asphalt | 0 |
Auf Schotter | 0 |
Auf Wanderwegen | 14 |
Querfeldein | 0 |
Höhenmeter
Bergauf | 420 |
Bergab | 420 |
Geschätzte Gehzeit
6 Stunden