Tag 10: Hytte de luxe

Da wir die Gardinen in unseren Schlafzimmern nicht zuziehen, werden wir heute vom Sonnenschein geweckt. Der Himmel ist wolkenlos, doch als ich vor die Türe gehe, merke ich, dass die Temperatur noch weit unter zehn Grad ist.

Darum gehen wir zunächst mit Jacke los, doch bereits nach wenigen Metern bergauf im Sonnenschein ist und dies zu warm. Wir halten in den nächsten 15 Minuten noch zwei weitere Male an, da zunächst Petra ihre Schuhe nachschnüren muss, dann ich.

Die Landschaft, die wir heute durchwandern, ist leicht gewellt. Wir haben Anstiege von maximal 100 Höhenmetern.

Die Hügel sind grasbewachsen, doch unter der Grasnabe lauert der Fels, der sich an vielen Stellen ins Freie durchbricht. Über Fels und Gras sind unzählige Steine aller Größen und Formen verteilt.

Die Mulden zwischen den Hügeln sind angefüllt mit kristallklaren Seen, die meisten von ihnen scheinen weder Zu- noch Abflüsse zu haben. Sie werden wohl durch Schmelz- und Regenwasser gespeist.

Unser Weg verläuft dementsprechend über steinige Grasflächen auf und ab, oft können wir aber auch den blanken Fels nutzen, um darauf vorwärts zu kommen.

Obwohl wir den Eindruck haben, relativ normal unterwegs zu sein, zeigt uns unsere Navi-App ein anderes Bild, denn der Schnitt liegt eher bei 2 km/h. Das ist nicht nur frustrierend sondern bedeutet auch für die heutige Etappe eine Gehzeit von zehn Stunden.

Vor uns auf dem Weg sehen wir oft frische Stiefelabdrücke, doch Menschen sehen wir keine. Dafür ca. zehn Lemminge, die vor uns über den Pfad huschen. Dies sind hell- und dunkelbraun längsgestreifte Nagetiere in der Größe zwischen einer Maus und einem Hamster. In relativ regelmäßigen Abständen (ca. sieben Jahre) vermehren sie sich explosionsartig, so dass man von einer richtigen Plage sprechen kann. Doch dieses Jahr scheint alles normal zu sein.

Irgendwie scheint es mir, dass oft das letzte Drittel einer Wanderung nur überwunden werden muss. Spaß habe ich oft dann nicht mehr, will nur noch ankommen. Heute ist es auf jeden Fall so.

Schafe haben den Weg mit ihren Klauen tief aufgewühlt und dies auf einer Breite von mehreren Metern. Gut, dass es die letzten Tage trocken war, denn ansonsten hätten wir an diesen Stellen schwer zu kämpfen.

Da die ganze Region fast flußlos ist, wurde unser Trinkwasser zum Ende hin knapp. Zwei Stunden vor Ende der Etappe kommen wir endlich an einem Fluß an. Dummerweise weiden hier aber recht viele Schafe, so dass wir die Wasserflaschen mit einem mulmigen Gefühl auffüllen.

Die letzten Kilometer folgen wir dem Ufer eines Stausees, der ungefähr zehn Meter unter dem normalen Stand angefüllt ist. Der bloßliegende Uferstreifen sieht ziemlich hässlich aus.

Dann endlich erreichen wir die Hütte Kvinen. Dieses Mal sind wir nicht alleine, es ist bereits ein Norwegisches Paar dort. Und es folgen noch fünf weitere. 

Diese Hütte ist eine der Neueren, sehr modern, sehr stylisch, sehr großzügig. Man kann fast mit drei Leuten nebeneinander durch die Flure gehen. Der Wohn-, Koch- und Essbereich sieht aus, wie aus dem Ikea-Katalog. Unsere Hütte verfügt auch über eine außenliegende Boulderwand. Uns gefallen die altmodischen Hütten viel besser. Die neuen scheinen nicht auf Wanderer ausgelegt zu sein, sondern auf Gäste, die nur eine kurze Wanderung vom Parkplatz zur Hütte zurücklegen und dann dort zwei oder mehr Nächte verbringen wollen.

Und die anderen Gäste scheinen voll zu dieser Zielgruppe zu gehören. Hier wird zum Abendessen geschnippelt und gekocht. Zwiebeln mit Weißwein aus der Flasche abgelöscht. Es wird mit Bier und Rotwein angestoßen.

Wir hingegen brutscheln uns ein recht sparsames Menü aus dem Proviantlager: Dosenmakrele und Dosentomaten mit Spaghetti, dazu Kaffee und als Nachtisch Dosenananas.

Danach spielen wir eine unserer üblichen Kniffel-Partien, während um uns norwegisch gequatscht wird. Da wir nichts davon verstehen, lenkt es uns auch nicht ab. Die Erschöpfung des Tages fällt langsam von mir ab, ich fühle mich gut, entspannt, bin froh hier zu sein, froh die Etappe geschafft zu haben und ich merke, dass mein Fuß sich langsam bessert, dass meine Form langsam zurückkehrt. Ich schaue aus dem Fenster, genieße die Aussicht, den gesamten Moment.

Die heutige Etappe in Zahlen

Kilometer

Gesamt22
Auf Asphalt0
Auf Schotter0
Auf Wanderwegen22
Querfeldein0

Höhenmeter

Bergauf640
Bergab760

Geschätzte Gehzeit

8 Stunden 30 Minuten

6 Kommentare

  1. Hallo Andreas und Petra.
    Der letzte Eintrag ist jetzt 5 Tage alt…..Ich hoffe es geht euch gut !?

  2. Hi!
    Nice to meet you at the DNT hut Vassdalstjørn. I went on to Krossvatn and came back home yesterday.

    As you can see, I found your website and will follow you on your trip north to the North Cape. I wish you all the best and hope you reach your big goal. But, the experiences on the whole trip are probably the best.

    • Hi Einar, it was very nice to meet you. I hope that google-translate is translating my texts into understandable norwegian.

  3. Hallo Ihr zwei.
    Ich finde es ganz toll, das ihr bei den Strapazen noch die Zeit findet solche herrliche Bilder zu machen. Und dazu die ausführlichen Texte zu schreiben. Ich verfolge interessiert euren Blog und wünsche euch weiterhin gutes Gelingen. V. G. Roland

  4. Hallo Roland!
    Das hast du Andreas zu verdanken, ich bin froh, wenn ich mein Etappenziel erreiche.
    Schöne Grüße 😀

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