Graue Fracks und bunte Hüte

Ein klein wenig ärgern wir uns schon, als wir morgens nach dem Aufstehen erkennen, dass es ein sonniger Tag werden wird. Denn heute wandern wir nicht, wir müssen hier in Osmotherly bleiben, weil im Lion Inn auf dem Blakely Ridge für diese Nacht kein Zimmer mehr zu kriegen war. Und auch nicht in den wenigen Herbergen auf dem Weg dorthin.

Wir frühstücken, lesen, drehen eine kurze Runde über den vollen und gepflegten Campingplatz, lesen, schmeissen eine weitere Maschine mit dreckiger Wäsche an und lesen erneut.

Das Hostel hat sich mit Wimpeln etwas herausgeputzt, da eine Spendenaktion für die Krebshilfe McMillan stattfindet: The worlds biggest coffeee morning. Hierzu haben sie im Foyer eine große Kuchentafel aufgebaut und bieten zusätzlich Kaffee und Tee an. Wir unterstützen diese Aktion und holen uns ein Muffin und ein Stück Salzkaramellkuchen. Und lesen beim Genießen im sonnendurchfluteten Fernsehraum des Hostels.

Gegen ein Uhr gehen wir ins Dort und sind überrascht von den vielen, feierlich gekleideten Menschen, die vor einem der drei Pubs bis auf die Straße stehen, Bier trinken, sich lautstark unterhalten, während im Hintergrund eine dreiköpfige Dixielandband spielt. Die Männer haben fast durchweg schicke Hosen, Weste, Hemd und einen Frack an. Die Frauen stehen mehr oder weniger sicher in Schuhen mit schwindelerregend hohen Absätzen, schicken, farbenfrohen Kleidern und auf dem Kopf tragen sie bunte, phantasievolle Hutkreationen, die ich so nur von Bildern vom Pferderennen in Ascot kenne.

Wir gehen in unseren Lieblingspub auf der anderen Straßenseite, geben an der Theke unsere Bestellung auf und setzen uns an einen Tisch an der Straße, um die Leute gegenüber beobachten zu können. Vom Wirt habe ich erfahren, dass es sich um eine Hochzeitsgesellschaft handelt. Diese löst sich nach und nach auf, und die Gäste gehen an unserem Pub vorbei zu der dahinter liegenden Kirche. 

Nach unserer Mahlzeit gehen wir durch den Hinterausgang des Pubs hinaus und sind überrascht, als wir uns auf dem grasbewachsenen Friedhof wiederfinden. Wir umrunden die Kirche und kommen gerade rechtzeitig, um einen festlich geschmückten Wagen vorfahren zu sehen, dem die Braut entsteigt. Kurz vor dem Eintreten in die Kirche wird die lange Schleppe noch mal gerichtet dann verschwinden die Braut ihr Gefolge auch schon aus unserem Blickfeld.

In Filmen (z. B. Tatsächlich Liebe) haben wir schon öfter solche Gesellschaften gesehen, doch dass in England tatsächlich so gefeiert wird, hätte ich nicht gedacht.

Wir gehen wieder zurück zum Hostel und lesen uns weiter durch den Ruhetag, bevor es dann am Abend wieder zum Pub geht, wo wir für sechs Uhr einen Tisch bestellt haben.

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