Gatter auf, Gatter zu

Im Frühstücksraum treffen wir Collin wieder, der sich mit uns gestern das Appartment geteilt hat. Er hat irgendwie Probleme mit den Füßen oder Beinen, denn er geht unrund und eierig, und dass, obwohl er gestern den unteren und somit etwas einfacheren Weg gewandert ist. 

Kaum verlassen wir Reeth, treffen wir wieder auf den pensionierten Doktor. Von ihm erfahren wir, dass die vielen Rebhühner hier in der Gegend kein Zufall sind. Sie werden extra für die Jagd gezüchtet und, was noch schlimmer ist, es werden Giftköder ausgelegt, um ihre natürlichen Feinde (Bussarde, Falken und andere Raubvögel) auszurotten. Es scheint insgesamt ein lukratives Geschäft zu sein, denn die Schießplätze, die wir gestern an den Hängen der Swale gesehen haben, werden für mehrere Tausend Pfund pro Tag vermietet. Demgegenüber scheint sich kaum noch ein Jäger für die Rehe zu interessieren, die sich wohl explosionsartig vermehren, da deren einziger natürlicher Feind der Mensch ist. Insgesamt beschäftigt dieses Thema wohl die englische Gesellschaft bereits seit einigen Jahren und ist auch ein beliebtes Wahlkampfthema, doch bisher hat sich die Gesetzeslage diesbezüglich noch nicht verändert.

Blick zurück auf Reeth

Der Doktor ist übrigens gestern fast doppelt so lange unterwegs gewesen, wie wir, da er mehrere Stunden in den Ruinen der Minen mit Fotografieren verbracht hat.

Wir wandern zu dritt plaudernd bei circa sieben Grad Lufttemperatur am Flüsschen entlang, in dem wir auch drei Frauen bei ihrem morgendlichen Schwimmen beobachten. Petra ist gerade in drei Lagen eingepackt und hat sogar ihre Handschuhe angezogen. Irgendwie scheinen die Engländer aus einem anderen Holz geschnitzt zu sein als wir.

Am nächsten Dörfchen trennen sich unsere Wege, da der Doktor sich dieses genauer ansehen möchte.

Wir folgen noch etwas dem Fluß und wir kommen dann an einer Farm vorbei, wo die Schäfer ihre Schafe nur um den Hintern herum schären, das restliche Fell lassen sie ihnen wohl für den kalten Winter. 

Wir gehen weiter bergauf durch einen kleinen Wald und oben fangen wieder die Felder an, die sich weißgetupft vor lauter Schafen vor uns ausbreiten. Immer wieder müssen wir heute die Gatter öffnen und wieder schließen, und gelangen so von Weide zu Weide. Eine schier unendliche Aneinanderreihung von Weiden über die der Public Footpath von einem Gatter zum nächsten führt.

Während dieser Etappe treffen wir noch mehrmals den Doktor, aber auch eine vierer Gruppe überholen wir insgesamt drei Mal, da sie uns bei unserer Mittagspause erneut einholen. Von unseren anderen Bekannten sehen wir seltsamer Weise nichts.

Das Wetter überrascht uns und vielleicht auch die Meteorologen, denn die Sonne kommt zur Mittagszeit hinter den Wolken hervor und so wird diese Etappe trotz der fehlenden landschaftlichen Höhepunkte, doch zu einer schönen Mittelgebirgswanderung.

Das Swaledale führt uns geradewegs bis nach Richmond, wo wir im The Buck Inn Hotel ein Zimmer reserviert haben. Von außen sieht es recht nett aus, doch innen erkennen wir deutlich die Jahrzehnte, die es auf dem Buckel hat. Wir müssen einige Minuten warten, bevor wir auf unser Zimmer können, denn wir sind trotz der recht langen, sonnigen Mittagspause bereits um zwei Uhr angekommen. Das Wasser der Dusche schwankt recht schnell zwischen heiß und kalt, so dass wir sie kaum genießen können.

Bald sind wir in Richmond

Anschließend drehen wir eine Runde durch die fast 9000 Einwohner große Stadt, die mit ihrer Burg im Zentrum ein mitteralterliches Flair besitzt. Um einen großen, kopfsteingepfalsterten Platz reiht sich ein Lokal an das nächste. Wir entscheiden uns heute für einen Italiener, um mal eine Abwechslung zur englischen Küche zu haben.

Als wir das Restaurant verlassen, fängt der vorhergesagte Regen an und wir beenden den Tag in einem Pub, bei Bier, Kniffel, Lesen und Tagebuchschreiben.

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