Die Nacht war lang und unruhig. Um sechs Uhr dreissig stehen wir auf und das Standardprogramm wird abgespult: Waschen, Frühstücken, Zelt ausräumen und abbauen, Rucksack packen und losmarschieren.
Der Himmel ist noch verhangen, es weht kein Lüftchen und wir kommen recht gut voran. Zunächst geht es vier Kilometer Richtung Straße, der wir dann für zwei Kilometer folgen müssen.
Der erste Parkplatz, den wir passieren, ist vollgestellt mit Wohnmobilen, die hier wohl die Nacht verbracht haben. Wir werden von einem Finnen angesprochen, der wissen will, wo wir übernachtet haben, ob die Berghütten reserviert werden müssen und ob die große Mauer am Talende eine Staumauer ist.
Am nächsten Parkplatz legen wir eine Pause ein. Diesen kennen wir bereits von unserer NPL-Tour zwei Jahre zuvor, wo wir nur in entgegengesetzter Richtung unterwegs waren. Der Platz hat den Vorteil, dass er überdachte Bänke und Tische, einen Wasserkran und WCs hat. Drei zusammenreisende Dänen sind so unsozial, dass sie alle vier Banktische belegen. Wir und die anderen, die hier Pause machen weichen deshalb auf die weiteren Bänke aus, die aber über keine Tische verfügen.
Nach wenigen Minuten gehen wir auch schon los, um nach einem Kilometer einen Bergpfad rechts der Straße zu nehmen.
Auch an diesen kann ich mich noch gut erinnern und weiß, dass recht bald unter einer steilen Felswand die Hütte Håheller auftauchen wird. Diese lassen wir links liegen und folgen dem Pfad weiter am See entlang.
Mittlerweile haben sich die Wolken in Wohlgefallen aufgelöst und die Sonne sticht auf uns hinab. Gut, dass ich die Wasserflasche am Parkplatz aufgefüllt habe, aber wir haben nun auch nur noch sechs Kilometer bis zu unserem Auto vor uns.
Doch der Weg führt durch sehr viele sumpfige Stellen. Immer wieder müssen wir Schlammlöcher umgehen, um in ihnen nicht bis weit über die Knöchel zu versinken.
Und genauso oft müssen wir über große Steine steigen oder von einem zum andern hüpfen. Das alles kostet Kraft und wir merken immer mehr die Anstrengungen der letzten Tage.
Quälend langsam kommen wir voran, so fühlt es sich für uns jedenfalls an. Auf diesem kurzen Reststück legen wir zwei Pausen ein.
Endlich erreichen wir die Oyuvsbu Hütte, deren Namen ich nie so aussprechen konnte, dass die Norweger mich verstanden haben. Diese Hütte liegt direkt unterhalb eines Passes und auf der anderen Seite, keine 800 Meter entfernt ist der Parkplatz, auf dem wir vor acht Tagen unseren Wagen abgestellt haben. Doch noch trennen uns auch fast 100 Höhenmeter, die dann aber überraschend schnell überwunden waren.
Kurz danach stehen wir auch schon neben unserem Auto. Der Parkplatz ist noch voller, als letzte Woche. In zweiter Reihe steht ein Van mit laufendem Motor. Das Benzin ist wohl noch nicht teuer genug. Die Insassen haben sich wanderfertig angezogen. Alle Klamotten sind entweder nie benutzt oder erst vor kurzem gewaschen worden. Alles ist farblich aufeinander abgestimmt. Keiner hat einen Rucksack und keiner wandert los. Mich beschleicht der Verdacht, dass sie sich nur so kostümieren, um Fotos zu machen.
Wir hingegen sind schmutzig und klebrig verschwitzt, schälen uns aus den Wanderschuhen und -socken und schmeißen unsere Ausrüstung in den Kofferraum. Bis wir endlich vom Platz hinunterfahren ist bestimmt eine Viertelstunde vergangen, den Motor hat der Fahrer aber immer noch nicht ausgestellt.
Wir fahren die kleine Straße wieder zurück ins Tal und steuern zunächst den Coop an, wo wir uns mit Proviant für unser Mittagessen und für die Heimfahrt eindecken. Dann geht es weiter zum Campingplatz, wo wir noch vor dem Aufbau des Zeltes die Plane auf der Wiese ausbreiten, mit kaltem Bier auf unsere gelungene Wanderung anstoßen und unseren Hunger mit Käse-Kochschinken-Tomaten-Broten stillen.
Dann erst gönnen wir uns die wohl geilste Erfindung der Menschheitsgeschichte. Nach der Dusche fühlen wir uns wie neugeboren.