Tag 13: Hüttengespräche

Ich wache auf, und das erste, was ich bemerke, ist das Prasseln von Regen gegen unser Fenster. Ein Blick raus zeigt sogar, dass die Wolken recht tief hängen und wir kaum die andere Seite des Tals sehen können. Bei diesem Wetter macht ein Weitergehen heute keinen Sinn, darum drehen wir uns noch mal um, und dösen noch ein Stündchen.

Beim Frühstück klart es auf und der Regen stoppt. Es kommt sogar die Sonne hervor. Optimistisch packen wir unsere Rucksäcke und reinigen die Hütte. Doch kaum wollen wir los, gießt es wieder ganz ordentlich. Wir setzen uns aufs Sofa, Petra liest, ich schaue mir die Landschaft an, die bei dem Wolkenspiel alle paar Minuten anders ausschaut. Dann hört der Regen tatsächlich auf und wir gehen los, bevor es wieder anfängt.

Da es gestern, die Nacht über und auch heute Morgen so feste geregnet hat, sind alle Bäche und Flüsse reißender und voller als üblich. Einfache Furten werden so etwas komplizierter, da wir genauer schauen müssen, über welche Steine wir trockenen Fußes das andere Ufer erreichen können.

Wer findet die Taumevatnhytta?

Wenn wir die vielen Wiesen in diesem Bereich queren, gurgelt es laut aus den Kanälen, die sich das Wasser hier gegraben hat. Diese Kanäle mäandern kreuz und quer und man muss ständig aufpassen, nicht hineinzutreten, denn manche sind recht tief. An den Stellen, wo sie das viele Wasser nicht mehr aufnehmen können, strömt es über die Wiese talwärts.

Das Wasser sucht sich unter diesen Bedingungen auch recht häufig den Wanderweg als Bachbett aus. Und viele Abschnitte sind überflutet, matschig und sumpfig. Die sonst schön zu begehenden Felsplatten sind heute oft rutschig.

Die Hütte Heibergtunet

Insgesamt müssen wir also sehr aufpassen und das Gehen ist sehr anstrengend. Dennoch erreichen wir schon nach drei Stunden die Heibergtunet, eine Hütte, die wie ein Museum eingerichtet ist. Herrn Heiberg hat unvorstellbarer Weise die Gegend besessen, durch die wir die letzten Tage hindurchgewandert sind und durch die wir noch fast eine Woche wandern werden. Dies war sein privates Jagdrevier und er hat dort einige Hütte anlegen lassen. Die Heibergtunet ist eine davon.

Wir sind nur wenige Minuten von der Hütte entfernt, als der erste Regenguss seit dem Abmarsch herunterkommt. Das Ziel zum Greifen nah, sind wir gezwungen, unsere Regenjacken wieder anzuziehen. Kalt und nass öffnen wir die Tür, ziehen Jacke und Schuhe aus, gehen in die Küche und werden von einer wohligen Wärme empfangen. Der Ofen bollert und Ivona, eine Polin, die seit etlichen Jahren ins Oslo lebt, empfängt uns herzlich und mit einem Redeschwall. Bereits nach wenigen Minuten kennen wir ihre halbe Lebensgeschichte. Auch dass sie, trotz geschwollenem Knie und 15-fach verschraubten Knöchel immer noch wandert, aber sehr langsam. Für die Strecke, die Petra und ich in drei Stunden absolviert haben, hat sie 12 gebraucht. Und sie ist ein Fan von Agnieszka ‚Zebra‘ Dziadek, die 2022 als erste Polin den NPL gemacht hat. Ivona hat damals für Zebra Wetterberichte zusammengestellt und die Verpflegung organisiert.

Nach der Pause machen wir uns auf den elf Kilometer langen Weg zur Kringelvatn-Hütte. Immer wieder nieselt es, aber der Weg wird hier in der Höhe etwas besser. Es wird aber auch kühler, zeitweise zieht sich Petra sogar die Handschuhe über.

Doch irgendwann lässt unsere Kondition nach und die letzten Kilometer sind eine Quälerei. Bis dahin haben wir aber den Weg genossen, denn landschaftlich war es mal wieder toll, trotz oder sogar wegen des Wetters.

Im Schlamm vor mir entdecke ich nun immer öfter recht frische Fußspuren, so dass uns klar ist, dass wir diese Hütte nicht für uns alleine haben werden. Der Vorteil aber ist, dass wir in eine eingeheizte Hütte kommen werden.

Und so ist es auch. Claude, ein 73 Jahre alter Franzose aus den Pyrennäen, ist bereits da und hat Wasser und Ofen vorbereitet. Er war Skiführer und bei der Bergwacht, und fährt mindestens zwei Mal im Jahr nach Norwegen. Im Winter macht er hier Skitouren, früher machte er auch Ski-Kiting, und im Sommer wandert er. Er scheint jede Hütte hier zu kennen und es ist richtig interessant sich mit ihm über Wandern, Norwegen, Korsika und viele andere Themen zu unterhalten. Und er hat Zebra bei ihrem NPL getroffen. So ein Zufall, ich habe mich noch nie mit irgendjemanden über diese Polin unterhalten, und nun treffe ich gleich an einem Tag zwei Leute, die sie persönlich kennen. Die Welt ist ein Dorf.

Das Thermometer zeigt übrigens heute Abend  eine Außentemperatur von 4 Grad an.

Die heutige Etappe in Zahlen

Kilometer

Gesamt20
Auf Asphalt0
Auf Schotter0
Auf Wanderwegen20
Querfeldein0

Höhenmeter

Bergauf580
Bergab420

Geschätzte Gehzeit

7 Stunden 30 Minuten

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