Die Nacht im Zelt war eigentlich recht gut. Es war ruhig, zwar etwas kühl, und der Untergrund einigermaßen eben. Gegen 8 war sie dann aber für uns vorbei. Im Waschhaus habe ich noch eine französische Wanderin kennengelernt, die auch in unsere Richtung weiterwandert und die noch fast 3 Wochen Zeit hat, um die geplanten 420km auf diesem Weg zurückzulegen. Mein Französisch ist zwar etwas eingerostet, aber irgendwie konnten wir uns dann doch verständigen.
Recht zügig waren das Zelt abgebaut und die Rucksäcke gepackt. Jürgen schaute noch kurz recht verschlafen aus seinem Wohnmobil, um mir mein Handy samt Lagegerät zu geben, das ich ihm zum Aufladen über Nacht gegeben hatte, dann ging es ohne Frühstück los.
Zunächst wanderten wir wieder nach Lannion, wo wir auf dem Markt zwei Baguettes, zwei Croissants und ein großes Stück Schafskäse gekauft haben. Nur wenige Meter entfernt haben wir direkt am Ufer des Flusses, der Lannion mit dem Meer verbindet, eine Bank im Sonnenschein gefunden. Dort wurde der Kocher angeworfen, um Kaffee zu kochen, und endlich konnten wir uns für die heutige Etappe stärken.
Quer über den Fluß waren Drahtseile gespannt, an denen rote oder blaue Stangen hingen, die bis zum Wasser hinunterreichten. Dies kannte ich bisher nur für Wildwasserkanuten, die mit diesen Stangen ihre Slalomstrecken markieren. Doch der Fluß hatte überhaupt keine Strömung. Er sah mehr aus, wie ein Kanal, denn das Wasser stand und floß nicht ab. Doch gestern Abend, als wir zum Campingplatz zurückgegangen sind, da rauschte er Richtung Meer. Und da fiel mir die Lösung ein: Wir hatten gerade Flut und das Wasser wurde zurückgestaut. Hier gibt es bis 6 Meter Tidenhub! Bei Ebbe ist der Wasserspiegel also um einiges niedriger und der Fluß wird zum Wildwasser.
Genau diesem träge dahinfließenden Gewässer sind wir nach dem Frühstück bis zum Meer gefolgt. Der Weg war nur für Fußgänger freigegeben. Doch trotzdem war viel los, denn anscheinend lieben die Bretonen Jogging. Und Nordicwalking. Und Wandern. Ständig kamen uns Leute entgegen, oder sie überholten uns. So viele Menschen haben wir auf unseren Wanderungen in Norwegen in einem Monat nicht gesehen.
Trotzdem war es schön, entspannt diesem Weg zu folgen. Mit der Zeit roch der Fluß immer mehr nach Salzwasser, und tatsächlich konnten wir nach 5km die ersten Segel- und Fischerboote sehen, die hier im schützenden Tal des Flusses an ihren Bojen festgebunden waren.
Dann führte uns der Weg einen Kiefernwald hinauf und zwischen den Bäumen hindurch ergaben sich die ersten Blicke auf ein tiefblaues, sonnenbeschienenes Meer. Überall, wo wir hinschauen konnten, waren weiße Segelboote unterwegs und unser Blick wurde bis zum Horizont nicht von Hügeln, Bäumen oder Häusern verstellt.
Der GR34, wie der Zöllnerpfad offiziell heißt, schlängelte sich von nun an durch grünes Buschwerk immer mit Aussicht auf die Küstenlinie. Ab und zu kamen wir an vornehmen und sündhaft teuer aussehenden Villen vorbei. Aber meistens waren wir von Büschen oder Bäumen umgeben.
Nach ca. zweieinhalb Stunden standen wir vor einem kleinen Restaurant, wo wir uns eine Flasche kühlen Cidre gekauft haben. Neben uns saß eine vierköpfige, französische Wandergruppe, mit denen wir ins Gespräch kamen. Sie sprachen recht gut deutsch, aber ab und zu wollte ich auch mein Französisch anwenden. Die Vier sind nun das zweite Jahr für vier Wochen auf dem GR34 unterwegs. Begonnen haben sie letztes Jahr bei Mont St. Michel, dem Kloster auf der felsigen Insel am Übergang der Bretagne in die Normandie. Auf die Frage, was der schönste Abschnitt ihrer Wanderung war, sagten sie: die Rosa Granitküste. Dort werden wir in wenigen Tagen entlangwandern.
Leicht beschwipst (der Apfelwein hatte immerhin 6,5%) machten wir uns auf die zweite Hälfte unserer Tagesetappe. Als wir eine schöne, sonnige Bank erreichten, haben wir eine Mittagspause eingelegt, und kurz darauf, am Ende der Promenade, ein Eis genossen.
Langsam machten sich bei uns beiden die zurückgelegten Kilometer in den Beinen bemerkbar, und so waren wir froh, als wir nach 6,5 Stunden und ca. 25 Kilometern endlich den Campingplatz erreichten.
Hier konnten wir an der Rezeption auch Brot für das morgige Frühstück bestellen, so dass wir nicht wieder mit leerem Magen losmarschieren müssen.
Nach der Dusche waren wir zwar immer noch kaputt, aber fühlten uns schon wesentlich besser. Jürgen und Andrea wollen heute Abend auch hier übernachten. Und das Restaurant-Fiasko vom Vortag wird sich hier auch nicht wiederholen, denn wir haben im Restaurant gegenüber bereits einen Tisch reserviert.