Drei Tage waren wir insgesamt auf dem Campingplatz. In der Zeit konnten wir unsere Wäsche komplett waschen. Abends haben wir immer lecker gekocht. Und den restlichen Tag auf der Veranda verbracht, wo wir viel gelesen, gekniffelt, gedöst und den Leuten beim An- und Abreisen zugesehen haben.
Die ukrainische Putzfrau hat meine Blase am Fuß bemerkt und pantomimisch erklärt, dass ich bestimmte Heilkräuter verwenden müsste. Später brachte sie mir eine handvoll grüner Blätter. Am nächsten Tag kam sie sogar zu uns und gab uns Verbandszeug und Mittel zum Desinfizieren. Teilweise haben wir uns mit Google-Translate verständigt. Sie sprach ukrainisch in ihr Handy und hat mir dann die englische Übersetzung gezeigt.

Meine Blase wurde immer besser, aber auch am Morgen des vierten Tages ist sie noch nicht vollständig abgeheilt. Wir sind das Nichtstun satt und wollen endlich weiter. Die Wunde tut nicht mehr weh, also wagen wir es, loszuwandern.
Der Himmel ist um Neun Uhr, als wir losgehen, noch zugezogen und die Temperatur so um die 15 Grad. Ideale Bedingungen also für eine lange, anstrengende Wanderung. Dies meint auch der Campingplatzbesitzer, als wir ihm den Schlüssel unserer Hütte zurückgeben.

Zunächst folgen wir der E16, neben der ein Fuß- und Radweg verläuft. Am Ortsende gehen wir noch schnell in den Coop und kaufen einige Lebensmittel ein, dann geht es auch schon weiter. Die Sonne kommt immer mehr hervor und es wird richtig heiß.
Zum Glück biegt unser Weg dann nach rechts ab und wird überraschend zu einem Wanderweg, der anfangs zwischen Feldern und später durch den Wald verläuft. Hier ist es schattig und noch angenehm kühl.

Nach vier Kilometern endet der Weg an einem Parkplatz, wo wir unsere erste Pause einlegen. Anschließend geht es auf Asphalt weiter. Die Sonne bruzelt nun gnadenlos vom Himmel während die Straße sich in Serpentinen den Berghag hinaufschraubt. Mit rotem Kopf und nassgeschwitzten Shirts erreichen wir nach 230 Höhenmetern einen kleinen Kiosk. Hier kaufen wir zwei kalte CocaColas und ich mir noch ein Wiener Würstchen.
Während wir hier im Schatten langsam wieder Normaltemperatur erreichen schnauft ein Radfahrer mit Ortlieb Vorderrad-, Lenker- und Hinterradtaschen und zusätzlichen Rollen auf dem Gepäckträger den Mjølkevegen hinauf. Dieser Weg ist ein beliebter Radweg von 250 Kilometer Länge, dem wir ab hier bis nach Vinstra oft folgen werden. Es handelt sich hierbei um einen Schotterweg, der somit also etwas angenehmer zu gehen ist, als eine Asphaltstraße.

Neben dem überladenen Radfahrer fahren noch viele andere Radler aus beiden Richtungen an uns vorbei. Der Kiosk liegt als recht günstig.
Nun liegen sechs Kilometer vor uns, auf denen wir zusätzliche 600 Höhenmeter gewinnen. Also zehn Prozent schattenlose Steigung.

Die Pausentage haben uns wohl gutgetan, denn wir gehen recht zügig diese Schotterpiste hinauf, bis wir auf ein Mal den überladenen Radfahrer vor uns sehen, der an einer recht steilen Stelle sein Rad schiebt und danach die ganze Straßenbreite ausnutzend in kleinen Serpentinen nach oben schleicht. Er ist so langsam, dass wir immer mehr aufschließen. Das hatten wir noch nie, dass wir einen Radfahrer überholen. Als wir auf gleicher Höhe sind, erkenne ich auf seinen Taschen den Globetrotter-Schriftzug. Somit ist klar: Er ist ein Deutscher. Dementsprechend spreche ich ihn auch direkt in unserer Heimatsprache an. Das Gespräch ist recht kurz, denn so langsam wie er wollen wir nicht bergauf. Aber ich erfahre immerhin, dass er mehr als 30 Kilo an Gepäck mithat, das genaue Gewicht wollte er mir nicht verraten. Der Münchener war wohl bisher öfters mit dem Rad in Norwegen unterwegs. Nun ist er bereits fünf Wochen auf Tour und quält sich nur diesen Berg hinauf, weil es ihm im Tal zu heiß ist.
Als wir endlich oben am Pass ankommen, gibt es eine Überraschung, denn das Panorama ist umwerfend. Vor uns liegen die schneebedeckten Gipfel Jotunheimens. Wir machen auf einer Bank erst mal Rast, packen unsere Lebensmittel aus und stärken uns für die nächsten Kilometer. Immer wieder schweift unser Blick über die vor uns liegende Berglandschaft. Dies lässt alle Anstrengungen wirklich vergessen.

Als wir unsere Rucksäcke wieder packen, kommt auch der Münchener Radfahren oben an. Für uns geht es ab jetzt zunächst mal wieder bergab. Wir wollen nur noch acht Kilometer weiter, um dann am See irgendwo unser Zelt aufzubauen. Diese Kilometer vergehen echt schnell, denn das Gefälle ist angenehm zu gehen und der Ausblick nach wie vor bombastisch. Doch als wir unser anvisiertes Campinggebiet erreichen, müssen wir uns eingestehen, dass wir hier unser Zelt nicht aufbauen können. Links der Straße ist ein steiler Berghang und rechts kommt nach einem felsigen Steitenstreifen direkt das Wasser.

Wir gehen also weiter, langsam merken wir aber die zurückgelegten Kilo- und Höhenmeter. Am Seeende sind mehrere Almen und Ferienhäuser. Dort ist ebenfalls ein Zelten unmöglich. Also müssen wir der Schotterstraße für weitere 100 Höhenmeter bis zum Stausee Olefjorden folgen. Direkt am Ende der Schotterpiste finden wir dann tatsächlich endlich einen Zeltplatz. Der Boden ist zwar etwas buckelig und schief, doch es ist inzwischen schon acht, wir sind kaputt, müde und hungrig. Da macht man schon mal Kompromisse.

Schnell ist das Zelt aufgebaut und Wasser geholt. Wir waschen uns notdürftig und kochen unser Abendessen, während die Mücken eine Angriffswelle nach der anderen starten. Drum verschwinden wir direkt nach dem letzten Bissen im Zelt und wenige Minuten später fängt es zu regnen an. Das Timing war mal wieder perfekt.

Ich habe keine Lust mehr auf nix außer schlafen, Petra hingegen liest noch ihren neuesten Wisting-Roman zu Ende.

Meine Blase haben ich den ganzen Tag über nicht gespürt, gänzlich spurlos ist der heutige Tag nicht an ihr vorbeigegangen, doch alles sieht OK aus, die Wanderung kann also weitergehen.
Die heutige Etappe in Zahlen
Kilometer
Gesamt | 33 |
Auf Asphalt | 8,5 |
Auf Schotter | 19,5 |
Auf Wanderwegen | 5 |
Querfeldein | 0 |
Höhenmeter
Bergauf | 1230 |
Bergab | 690 |
Geschätzte Gehzeit
8 Stunden