Der Fahrende Ritter

Den letzten Abend in England verbringen wir im Hotel, denn wir wollen uns dort ein Konzert von Steve Phillips and The Rough Diamonds anschauen. Während wir in der Bar essen, werden die Stühle und Tische in einer Ecke umgeräumt und der Platz für die Band vorbereitet. Es werden die Boxen und das weitere Equipment aufgebaut. Irgendwann erscheint der Meister, ein Freund von Mark Knopfler, und packt seine drei Gitarren aus, stimmt sie und schließt das Mikrophon an. Eine seiner Gitarren ist aus Stahl und sieht exakt aus, wie die Gitarre auf dem Cover vom Dire Straits (der Band von Mark Knopfler) Album Brother in Arms. Kurz vor neun, wir sind inzwischen bei der zweiten Runde Kniffel, erscheinen die letzten Bandkollegen. Das Schlagzeug und das Keyboard werden aufgebaut und an die Anlage angeschlossen, der Bassist hingegen braucht nur seinen Knotrabass auspacken und ist fast mit den Vorbereitungen fertig. Gegen neun fängt das Konzert endlich an. Mit Dire Straits hat die Musik hingegen wenig zu tun, denn Steve spielt Blues und eine Musik, die sich für mich fast wie Country anhört. Dennoch gefällt mir das Konzert recht gut. Doch die Pause, die sie nach einer Stunde einlegen, ist mir dann irgendwann zu lange und ich verschwinde auf unser Zimmer.

Am nächsten Tag geht es kurz nach neun zur Bushaltestelle. Hier treffen wir erneut die Pudel-Wanderer, die jedoch in die Gegenrichtung müssen und kurz vor knapp erst an der Haltestelle sind. Pünktlich kommt unser Doppeldeckerbus an. Für die anderthalbstündige Fahrt nach Middlesborough bezahle ich nur zwei Pfund je Person. Das kommt mir so wenig vor, dass ich schon ein Missverständnis vermute, doch es ist tatsächlich der korrekte Preis.

Wir steigen in das obere Stockwerk des Busses, was sich in zweifacher Hinsicht als Fehlentscheidung erweist. Einerseits schaukelt es hier oben wesentlich heftiger, als unten. Andererseits ist die Perspektive von hier so, dass man sich kaum vorstellen kann, wie der Bus ohne größeren Blechschaden durch die kleinen Gassen passen soll. Bei so einer Fahrt, vermute ich, muss Joanne K. Rowling auf die Idee vom magischen Bus Der Fahrende Ritter gekommen sein.

Der Bus fährt größtenteils nicht über die Hauptstraßen, sondern nimmt stattdessen oft die engen, kleinen Landstraßen, so dass wir noch einige malerische Dörfer und schöne Küstenabschnitte zu Gesicht bekommen. Irgendwann, wir sind ein wenig seekrank bei der Fahrt geworden, erreichen wir den Busbahnhof von Middlesborough. Wir gehen die wenigen Meter durch die etwas heruntergekommene Einkaufsstraße zum Hauptbahnhof und fahren dann mit dem Zug nach Newcastle.

Da der Bus zum Fährhafen erst fast zwei Stunden später abfahren soll, gehen wir noch schnell in einen Pub direkt neben der Haltestelle und essen dort einen kleinen Snack. Kurz vor Abfahrt gehen wir zurück zur Haltestelle, die inzwischen umringt ist von vielen Holländern und Deutschen, die mit der Fähre einen Kurztrip nach Newcastle unternommen haben.

Auf der Fähre gehen wir sofort in unsere Kabine und lesen bis zur Abfahrt. Wir gehen ans Deck und genießen die Fahrt über die Tyne bis zur Hafenausfahrt. Schon von Weitem sehe ich, wie Gischt über die Mauer, die den Hafen vor dem Meer schützt, spritzt. Es scheint sehr windig da draußen zu sein. Kaum verlässt das Schiff den schützenden Hafen, schaukelt es recht merklich. Viele Passagiere brauchen fast die gesamte Breite der Korridore, um dort entlangzugehen. Auf den Treppen merkt man das Auf und Ab besonders. Wir beschließen, kein Abendessen zu uns zu nehmen, da wir nicht wissen, ob der Seegang nicht noch schlimmer wird und wir dann das Essen in uns behalten können.

So beschränken wir uns auf die Chips und Erdnüsse, die wir im Duty-Free-Shop gekauft haben. Wir sitzen dabei in einem Aufenthaltsraum mit großen Panoramafenstern und solange ich den Horizont anvisiere, bemerke ich die Schaukelei kaum. Nach einiger Zeit werde ich übermütig und versuche, zu lesen. Erstaunlicher Weise geht das problemlos. Und später stellen wir fest, dass man den Seegang im Liegen noch besser verträgt. Insgesamt wird es deshalb eine geruhsame Fahrt zurück nach Amsterdam.

Als wir aufwachen ist vom Seegang überhaupt nichts mehr zu spüren und da wir uns mit der Zeitumstellung vertan haben, frühstücken wir recht spät, so dass wir kurz darauf bereits anlegen. Dann gehts es mit Bus und ICE nach Oberhausen Hbf, wo wir von Petras Schwester und Schwager abgeholt werden.

Ein weiterer, schöner Wanderurlaub ist somit vorbei. Der Coast to Coast ist ein recht abwechslungsreicher Wanderweg, doch die Etappen außerhalb der Nationalparks sind nicht besonders. Im Gegensatz zu Norwegen ist man hier bestens mit Essen und Getränken versorgt, doch dafür fehlt hier die Weite und Einsamkeit, die wir in Skandinavien so schätzen. Auch landschaftlich hat es uns in Norwegen besser gefallen. Deshalb werden wir nächste Jahr keine Experimente mehr machen und werden wir in unser Lieblingswanderland reisen.

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