Cumulusbezwinger von Mussum Bocholt

Zu meinem sechsten, runden Geburtstag hat mir Petra eine Ballonfahrt geschenkt. Seit Ende April haben der Ballonfahrer und ich versucht, einen Termin zu finden, doch immer wieder war das Wetter nicht gut, einer krank oder im Urlaub. Aber am 24.7. war es endlich so weit.

Direkt am Dämmerwald liegt der Hof des Veranstalters, dort haben wir uns um 17:45 Uhr getroffen. Da Nordwind herrschte, sind wir von dort zu einem Startplatz im nördlich gelegenen Mussum gefahren, wo der Bauer eine Flasche Sekt bekam und wir dann von seinem Feld aus starten durften.

Mit mir fuhr auch Armin, der ebenfalls von seiner Frau diese Fahrt zum Geburtstag geschenkt bekommen hat. Wir mussten beide bei den Vorbereitungen mithelfen.

Zuerst wurde der Korb aus dem Hänger getragen, was mit uns Vieren (es war noch ein Angestellter als Helfer und Verfolger bei uns) recht gut zu schaffen war. Dann wurde der Brenner auf einem wackeligen Kunststoffgestell über dem Korb angebracht, die technischen Geräte (GPS, Höhenmesser, Funkgerät) an ihm befestigt und der Brenner an die Gasflaschen angeschlossen. Es folgte ein Test des Brenners und wir spürten alle diese enorme Hitze, obwohl wir ca. 2m vom Korb entfernt und die Flammen nach oben gerichtet waren. Ich dachte, dass sich so die Besucher auf einem Rammstein-Konzert fühlen müssen, wenn der Sänger mit seinem Flammenwerfer den Feuerstrahl über sie hinwegfegen lässt.

Es folgte eine Sicherheitseinweisung, bei der zu jedem Fehlverhalten direkt tödliche Beispiel-Geschichten geliefert wurden. Zu diesem Zeitpunkt habe ich schon fast bereut, diese Fahrt machen zu wollen. Am „interessantesten“ ist wohl immer die Landung. Bei der kann alles Mögliche passieren. Zum Beispiel kann der Korb umkippen, während der Ballon diesen noch mit angeblich bis zu 50 km/h über den Boden schleift. In dieser Situation liegen die Fahrgäste bäuchlings auf dem unteren Korbrand und der Boden schiesst nur wenige Zentimeter an ihren Gesichtern vorbei. Keine angenehme Vorstellung. Wie wir uns festzuhalten, zu verhalten und auszusteigen haben wurde eingeübt, eine Kipplandung ebenfalls simuliert.

Dann wurde die Ballonhülle ausgerollt und mittels eines überdimensionalen Ventilators aufgeblasen. Armin und ich mussten hierfür die Öffnung aufhalten, auch später, als dann mit dem Brenner heiße Luft nachgefüllt wurde. Der Ballon wurde immer praller und richtete sich und den dranhängenden Korb langsam auf. Das Ganze war zu diesem Zeitpunkt noch mit einem dicken Seil am Auto, das nur wenige Meter daneben auf dem Acker stand, gesichert.

Schließlich durften wir einsteigen und mussten uns an den im Korb befindlichen Seilschlaufen festhalten und starr geradeaus schauen. So habe ich vom Start nur relativ wenig mitbekommen, nur das sich der Boden gemächlich von uns entfernte. Im Gegensatz zu einem Flugzeugstart, bei dem alles rappelt und wackelt und man eine enorme Beschleunigung und den steilen, rasanten Aufstieg spürt, verlief dieser Start unspektakulärer als eine Fahrt mit einem Fahrstuhl. Ich wollte schon fast „geräuschlos“ schreiben, doch das war er nicht, denn der Brenner fauchte diese ganze Zeit nur eine halben Meter über unseren Köpfen und sorge so für den nötigen Auftrieb und für eine warme Kopfhaut.

Recht schnell waren wir mehrere hundert Meter über dem Grund und die Sicht von hier oben war umwerfend. Wir konnten von Bocholt bis ins Ruhrgebiet schauen, der Nierderrhein lag unter uns, überall sahen wir Felder, Bauernhöfe, kleine Dörfer und Windräder, rechts schlängelte sich der Rhein Richtung Holland und hinter uns sank die Sonne langsam zum Horizont.

Wir stiegen immer höher, den Wolken entgegen. Irgendwann holte ich meine Kamera aus dem Rucksack und schoss ein paar Bilder. Wir versuchten uns anhand einiger Landmarken (Halden, Schlösser, Flüsse, Städte) zu orientieren und hatten immer Spaß, wenn wir etwas von hier oben erkennen konnten.

Fast unmerklich erreichten wir eine Flughöhe von 2600 Metern und das auch Vorwärtskommen merkte ich kaum. Anfangs dachte ich, wir stehen auf der Stelle. Fahrtwind gibt es bei einer Ballonfahrt nicht, denn der Ballon bewegt sich ja mit dem Wind mit annähernd Windgeschwindigkeit. Und bei 25km/h sind die Veränderung von hier oben nur sehr gering, da muss man schon recht genau hinschauen.

Mittels dreier, farbkodierter Schnüre konnte unser Pilot irgendwelche Klappen an der Hülle öffnen und schließen und so die Ausrichtung und Flughöhe des Ballons beeinflussen. Der Brenner wurde in unregelmäßigen Abständen angestellt, falls wir höher hinauf mussten. Auf magische Art hat der Ballonfahrer es so geschafft, uns in den 90 Minuten genau Richtung Erle, wo sein Hof liegt, zu bringen. Das Schloß Raesfeld mit seinen Fischteichen, Türmen und Wassergraben kam immer näher und da wir langsam tiefer gingen, konnten wir auch wieder mehr Details erkennen.

Auch den Begleitwagen, der unter uns auf den Landstraßen unsere Flugroute verfolgte, entdeckten wir wieder. Und den Hof des Piloten, auf den wir zielsicher zusteuerten. Der erste Landeversuch musste abgebrochen werden, da wir uns einem Maisfeld zu sehr näherten. So stiegen wir recht schnell von 80 wieder auf 250 Meter auf, um dann hinter dem Maisfeld einen neuen Anlauf zu unternehmen. Wir steuerten einen abgeernteten Acker an, an dessen Ende bereits der Verfolgungswagen wartete.

Armin und ich standen nun etwas nervös an der Korbwand, hielten uns wieder an den Schlaufen fest, während der Korb relativ sanft aufsetze und zwar hin- und herschwankte, aber stehen blieb. Wir durften erst unsere Schlaufen loslassen, als wir vom Piloten den Befehl bekamen, auszusteigen. Und selbst das musste mit Vorsicht erfolgen, denn ohne das Gewicht der Gäste wurde der Ballon wieder leichter und er hätte wieder aufsteigen können.

Nun war der Korb mitten auf dem Acker aber der Anhänger ca. 50 Meter entfernt auf der Straße. Den Korb dorthin zu schleppen, wäre Schwerstarbeit gewesen. Darum wurde erneut der Brenner betätigt, so dass der Korb nur einen halben Meter über Grund schwebte. Nun konnte das Bodenpersonal (Armin, ich und der Angestellte) ihn relativ mühelos über den Acker bis auf eine benachbarte Weide schieben. Dort wurde nun endlich die Ballonhülle auf den Boden gezogen, der Korb umgekippt und die heiße Luft aus der Hülle gepresst.

Als alles wieder ordnungsgemäß im Anhänger verstaut war, wurden Armin und ich noch getauft, wie es sich nun mal für frischgebackene Ballonfahrer gehört. Zuerst mussten wir den Taufspruch Zeile für Zeile wiederholen, dann wurde uns Sekt in den Nacken gegossen, ein paar Haare angeflämmt, etwas Dreck in den Nacken gedrückt und wir bekamen unsere Taufurkunde, die wir stolz entgegennahmen. Ich heiße seit dem Cumulusbezwinger von Mussum Bocholt von der Aa zur Issel von Marienthal. Der restliche Sekt wurde anschließend auf alle Anwesende verteilt und bei einem netten Plausch getrunken.

Der Hof war nur wenige 100 Meter entfernt, ich bin noch immer beeindruckt, wie genau diese großen, trägen Ungetüme gesteuert werden können. Diese Fahrt war wirklich toll und ich würde gerne noch mal eine Ballonfahrt machen, aber dann vielleicht mehr Richtung Alpen (also den Alpen, nicht Alpen am Niederrhein) oder Norwegen, also irgendwo, wo es etwas bergiger ist, als bei uns hier.

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